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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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machte probeweise ein paar Schritte, senkte die Lanze wieder, grinste ins Publikum und zwinkerte einer Magd zu, die sich bei den Handwerkern aufhielt. Das war Rolands Markenzeichen: sich stets so zu geben, als wäre alles, was er tat, ein Mordsspaß. Die Zuschauer quittierten seine Darbietung mit Johlen und Lachen. Er hob die Lanze wieder hoch, verbarg perfekt, dass ihm das Herz bis zum Hals schlug und er sich tausend Meilen weit weg wünschte, dann machte er zwei, drei, vier schnelle Schritte bis zur Markierung und schleuderte die Lanze mit einem markerschütternden Schrei von sich.
    Die Zuschauer brüllten ebenfalls auf. Die Lanze flog in einem perfekten Bogen nach vorne, senkte sich … und plötzlich wurde die Flugkurve flacher, als es zuerst ausgesehen hatte. Es schien, als glitte das Geschoss auf seinem eigenen Luftpolster dahin, der Flug wurde sogar noch schneller – und dann schlug es hoch über Puvis’ Speer in die Kirchenwand ein, drosch einen der kleineren Steine aus der Mauer und stieß durch das so entstandene Loch hindurch bis in den Innenraum. Ein empörter Ausruf in irischer Sprache zeigte, dass die Lanze drinnen beinahe jemanden getroffen hätte. Die Zuschauer starrten mit offenen Mündern zur Kirche hin. Roland wandte sich ab. Vorne bei der Kirche fiel Puvis’ Speer herunter.
    Die Meute der Zuschauer brüllte lauter als eine Horde angreifender Sachsen. Pfiffe, Gejohle, Gelächter, triumphierende »Roland«-Rufe, und zwischendrin die Wettgewinner, die strahlend ihre Münzen einstrichen.
    »Das war Betrug!«, brüllte Puvis, der damit den zweiten Akt des traditionellen fränkischen Wettkampfgeschehens einleitete. »Komm her, Roland, und hol dir eine Tracht Prügel ab!«
    Roland trat auf Puvis zu, aber er hob die Fäuste nicht. Die Zuschauer wurden still. Roland schüttelte freundlich den Kopf.
    »Nein, Puvis«, sagte er laut. »Es war kein Betrug. Und es wäre nicht ich, der die Tracht Prügel erhält, sondern du. Aber ich will dich ausnahmsweise verschonen, weil ich gehört habe, dass mein Onkel sich heute Abend beim Bankett von dir vorlegen lassen will, und es wäre doch zu schade, wenn dir bei der Ausübung dieses ehrenvollen Amtes die Zähne in den Weinkrug des Königs fielen, oder?«
    Puvis starrte Roland misstrauisch an. »Ist das ein Trick?«, fragte er.
    »Wart’s ab, heute Abend weißt du es. Wenn du aber trotzdem noch kämpfen willst …« Roland trat einen Schritt zurück, als wolle er sich kampfbereit machen.
    »Nein«, sagte Puvis. »Der Ehre, dem König vorzulegen, ordne ich meine Ehre als Kämpfer unter.« Er nickte Roland zu.
    Roland nickte zurück und wandte sich ab. Als wäre damit ein Bann gebrochen, rannte die Zuschauermeute zur Kirche hinüber, um das Ergebnis des Wettkampfs genauer in Augenschein zu nehmen. Roland und Remi schritten gemächlich zum Palas, umrundeten den Steinbau und traten in den Wohntrakt, in dem sich um diese Tageszeit nur das Küchenpersonal und die Sklaven aufhielten.
    »Ich fass es nicht«, stieß Remi hervor. »Wie hast du das gemacht, Roland?«
    »Die Lanze ist viel schwerer und dicker als der Speer. Du musst ihr nur genügend Anfangsgeschwindigkeit mitgeben, dann fliegt sie weiter. Außerdem liegt der Schwerpunkt weiter zur Mitte, weil der Reiter sie im Gleichgewicht halten können muss, und der Schaft ist nicht rund, sondern abgeflacht, weil man sie so besser an den Körper drücken kann. All das bedeutet, dass sie besser schwebt als ein Speer.«
    »Aber das Ding ist ungeheuer schwer! Wie konntest du es nur so heftig schleudern?«
    »Tja«, sagte Roland und suchte an einem Tragpfosten Halt. Wäre der Weg vom Duellplatz zurück zum Palas nur ein Dutzend Schritte weiter gewesen, er hätte ihn nicht geschafft. Langsam rutschte er am Pfosten nach unten. »Indem ich mir sämtliche Muskeln im Leib gerissen habe, glaub ich«, keuchte er. »Ich krieg kaum Luft …!«
    »Du hast die Lanze so stark geschleudert, dass dir die Muskeln im Leib …?«, begann Remi fassungslos.
    »Ich sagte, so fühlt es sich an!«
    »Du bist nicht verrückt, du bist völlig verrückt.«
    »Hilf mir auf, Remi. Ich muss schauen, dass ich zu meinem Onkel komme und ihn überrede, dass er sich heute Abend von Puvis vorlegen lässt.«
    »Was? Das stimmte gar nicht? Aber warum …?«
    »Glaubst du, ich hätte in dem Zustand mit Puvis kämpfen können? Er hätte mich mit einem Schlag umgehauen wie einen morschen Baum. Dann hätte ich mir den Wurf auch schenken können.«
    Remi

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