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Der letzte Schattenschnitzer

Der letzte Schattenschnitzer

Titel: Der letzte Schattenschnitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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noch vor euren Worten erlernte … Von jener außergewöhnlichen Kraft jedoch, die mich an jenem Abend fast von seinem Fuß gerissen hätte, habe ich seit jenem Schrei niemals wieder etwas gespürt. Jonas Mandelbrodt war ein gewöhnlicher Knabe. Auf eine sonderbare Art gescheit, aber doch nicht mehr als jeder andere von euch. Geboren, um zu sterben und die Zeit dazwischen damit zu verbringen, einfach zu existieren.
    Und auch wenn ich an jenem Abend geglaubt hatte, diese Kraft zu erahnen, so schien Jonas mir nun allenfalls noch ein leeres Blatt, eine Projektionsfläche, auf der man – wenn man wollte – Dinge sehen konnte. Ein Knabe, der später zum Hohepriester taugen würde, ein Verführer. Einer, der womöglich tatsächlich etwas in sich trug, das aber eben nicht mehr als nur möglich war …
     
    Während seine Mutter bald wieder mit dem Rauchen anfing, wuchs Jonas Mandelbrodt heran. Und sobald er es selbst nicht mehr tat, begannen andere, bei seiner Mutter zu schlafen …
    Als die Eltern jener Ruth den ersten dieser Männer trafen, hielten sie ihn, einem natürlichen Reflex folgend, für ihren neuen Schwiegersohn. Bis der nächste kam, der bald darauf schon vom übernächsten abgelöst wurde. Und dann erschien in ihrem Haus schließlich einer, der einen ganz und gar hässlichen Schatten hatte. Kaum dass ich ihn erblickte, schmeckte ich schon das Übel in ihm. Seine Augen glänzten von Schnaps und Gier. Von all ihren Männern ist er der Einzige, der mir im Gedächtnis blieb.
    Ich erinnere mich noch, wie er dort stand. Ein lüsterner, trunkener Faun, der hinter Jonas’ Mutter herstakste, als sie ihn und mich zu Bett brachte. Im Schatten jenes Fauns vibrierte seine Stimme, die kaum mehr als ein rauhes, geiles Krächzen war.
    »Komm Süße, lass den kleinen Scheißer schlafen, und wir gehen rüber ins Bett …«
    »Oh ja, Baby, genau das sollten wir tun …«, hauchte sie zurück, und auch in ihren Augen glänzte Gier. Sie wollte nicht bloß Mutter sein, war zu jung und zu hübsch, als dass sie auf ihrem Schoß bloß Kinder hätte wiegen wollen. Begehrt wollte sie sein, erobert, genommen, geliebt. Und doch beugte sie sich liebevoll zu uns herab, um ihren Sohn auf die Stirn zu küssen und ihn zuzudecken.
    Der brünstige Stier in ihrem Rücken aber scharrte, die Flasche in der Hand, ungeduldig mit den Füßen. Er umfasste ihre Hüfte und zerrte sie fort, während er gierig raunte: »Lass ihn liegen! Du hast was Wichtigeres vor …«
    Sie lachte auf. Jonas hatte begonnen zu schreien. Sie wollte kurz zurück zu uns und hielt das Drängen des Kerls für einen Scherz. Bis er sie an ihren Haaren aus dem Kinderzimmer schleifte. Und dabei schmeckte ich seinen Schatten: bitter, fahl, verschwitzte Fantasien und vergorener Samen. Eine widerliche Mischung, nach der auch seine Stimme klang.
    »Ich sagte, lass das Balg! Du kannst ihm seinen Arsch immer noch pudern, wenn ich mit deinem fertig bin.«
    Während er sie durch den Flur schleifte, lachte sie noch immer. Doch nun klang es gequält. Und durch die Schatten des Hauses hörte ich seine widerlichen Gedanken. Was war ihm dieses Kind? Nicht mehr als ein Hindernis, das zwischen ihm und ihr stand. Ich konnte seine Lüsternheit spüren, die dieses Hindernis nicht duldete. Er schleifte Ruth, die Flasche in der Hand, zum Bett und warf sie darauf. Er konnte es nicht erwarten, dass sie sich ihm hingab.
    »Jetzt werde ich dafür sorgen, dass du die kleine Kröte vergisst …« Mit diesen Worten öffnete er, während Jonas weiter schrie, lächelnd seine Hose.
    Nein, er war nicht der Erste in ihrem Leben, nicht einmal in diesem Monat. Doch seit sich sein Schatten mit mir vereint hatte, ahnte ich, dass er womöglich der Schlimmste war …
    Und dennoch hatte ihr Schatten mir verraten, worauf sie hoffte. Trotz allem. Trotz seiner groben Art. Sie erhoffte sich, dass dieser Mann blieb, dass er Geliebter und Vater werden würde, nicht immer so viel trank, auch gute Seiten hatte und in Wahrheit kein schlechter Mensch war. Um ihn zu halten, würde sie alles mit sich tun lassen.
    Alles , so wie sie es immer tat, bevor man sie erneut verließ …
    »Oh ja, Baby, lass mich vergessen, lass mich alles vergessen.«
    Eilig schälte sie sich aus ihrem T-Shirt und ihrer Hose. Er grinste schmutzig.
    »Genau das werde ich tun. So wie es mir gefällt, Kleine.«
    Dann zeigte sie ihm, dass sie bereit war für ihn, und ich hörte ihren Schatten lüstern wispern …
    Dieser Mann aber war nicht, was sie sich

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