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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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zurückging.
    Der Knirps fieberte, schlug manchmal mit seinen kräftigen kleinen Fäusten knurrend um sich. Steve überlegte, ob er ihn festbinden sollte, brachte es dann aber nicht übers Herz. Es war ihm klar, dass er ihn nicht durchbringen würde, doch er wollte alles versuchen, um ihm in seinen letzten Tagen Erleichterung zu verschaffen.
    Alle paar Stunden kontrollierte er die Leinen, zerrte zuckende Fischleiber an Bord, tötete sie, um sie als Köder zu verwenden, oder bereitete sie zu, schabte das rohe Fleisch mit dem Messer, löste die Gräten heraus.
    Es war mühsam Goodluck zu füttern, doch Steve verlor nie die Geduld, während Davy ihm zusah und jedes Mal mit einem halb vorwurfsvollen, halb gierigen Knurren registrierte, wenn der Knirps die Nahrung wieder von sich gab.
    Nachdem er Goodluck versorgt hatte, lag Steve dösend unter dem Sonnensegel. Der Wind schlief zuweilen ganz ein, die Takelage ächzte im Rhythmus der flachen Dünung, die die glitzernde Weite durchpulste, ein gleißender Mittag darüber ausgegossen, der Tag übers Meer gestülpt wie ein Dom aus Licht. In solchen unmessbaren Zwischenräumen, in denen die Zeit stillzustehen, die Sonne festgebacken schien im Zenit, fielen ihm Worte ein, die er seit Jahrhunderten vergessen zu haben glaubte, von Engeln, die Schalen des Zorns ausgossen über den Erdkreis. Manchmal fasste ihn die Beklemmung ans Herz, dass ihm die Brust weh tat. Er kroch an die Reling und übergab sich, hing keuchend an der Bordkante, bis er endlich die Kraft fand, sich kühles Wasser ins Gesicht zu träufeln und seine Stirn zu netzen. Und später, wenn das Salz auf seiner Stirn trocknete, hatte er zuweilen das Gefühl, als liefen Spinnen durch seine Augenhöhlen aus und ein, um in der Dunkelheit seines Bewusstseins ihre Nester zu bauen.
    Immer wieder suchte ihn derselbe Traum heim. Von einem erhöhten Standpunkt aus - er wurde nie inne, was eigentlich sich unter seinen Füßen befand, doch er kam sich vor wie ein Baum, festgewurzelt auf einem Fels-Eiland - blickte er an ein Ufer, an das eine dunkle ölige Lache schwappte, eine träge stinkende Brühe, in der alle Wasser der Erde geronnen und alles Leben erstorben war. Hinter der Uferlinie erstreckten sich bis zum Horizont Dünen, die von einem kreidebleichen, über die Maße hellen Licht beleuchtet wurden. Darüber drohte ein erschreckend schwarzer Himmel, als hätte ein ungeheurer Sonnenwind die Atmosphäre davongeblasen und das Antlitz der Erde sei schutzlos den kosmischen Stürmen preisgegeben. Und plötzlich geriet das Land in Bewegung, gehoben und gesenkt von der Dünung eines mächtigen Erdbebens, die vom Horizont hereinrollte, Dünenkämme einebnete und Täler zu Wogenkämmen emporwuchtete. Trotz der Atmosphärelosigkeit war deutlich ein heißes, trockenes Zischen zu vernehmen und Sand stob von den Wogenkämmen wie Gischtfetzen, als schlüge der Sonnenwind Photonen aus den Flanken der Kristalle und verwandelte sie in pures Licht. Und wie immer, so auch diesmal, erwachte Steve mit dem lähmenden Gefühl, jene Erde ohne Zukunft gesehen zu haben, von der Paul gesprochen hatte.
    Es war Abend, als er erwachte. Die Sonne war untergegangen. Er war schweißgebadet und erschöpft. Auf allen vieren kroch er zu Goodluck hinüber, in der Gewissheit, dass der Knirps gestorben war. Doch Goodluck lebte. Sein Atem ging flach, aber regelmäßig. Er schlief fest.
    An der Kante der afrikanischen Küste hing eine dunkle Wolkenbank, schräg aufgeglitten, gegen die Bergflanken gelehnt, die Ränder in fahlgelber Helle.
    Er atmete tief durch und wischte sich die Stirn. Die Hitze machte ihn benommen. Er starrte in die aufziehende Nacht.
    Dies Stückwerk, fragte er sich bang, soll mein Leben gewesen sein? Irgendwie hatte er immer gedacht, dass es sich um eine Art Generalprobe handeln musste, nach deren Abschluss sich der Vorhang zum eigentlichen Akt erst heben würde, wenn alle Rollen optimal verteilt waren und jeder seinen Part souverän beherrschte. Niemand kann gezwungen werden, völlig unvorbereitet auf die Bühne zu stolpern, unwissend in einem Stück mitzuspielen, das er nicht kennt, dessen Handlung aber längst festgelegt ist.
    Doch mit lähmender Gewissheit wurde ihm klar, dass dies sein Leben war, dass sich kein Vorhang mehr heben, sondern über seinem Stück bald fallen würde. Er begriff, dass dies alles hier und das, was er mühsam in seiner Erinnerung festhielt, sein Leben war, und dass es ihm zwischen den Fingern zerrann, dass nicht

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