Der Letzte Tag Der Schoepfung
dreißig Jahren Verspätung, in einem Rutsch, schlaflos. Was immer ich erwartet hatte, die naive Weltsicht der Anything-Goes-Generation, Altersflecken im Papier, patiniertes Was-wäre-wenn und besagte Vergewaltigungen der Physik - nichts davon ist mir begegnet. Dass eine Erzählung, die so lange zurück liegt, aktuelle Bezüge aufweist, mag man sich noch vorstellen. Dass sie sich jedoch liest, als sei sie eben erst geschrieben worden, hinterlässt einen Augen reibend. Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich den Roman empfunden hätte, wäre er mir bei Erscheinen in die Finger gefallen, und war sofort entzückt, ihn damals verpasst zu haben. Denn mit Jeschkes hintersinniger Zeitreise verhält es sich wie mit einigen Bordeaux, die umso besser werden, je länger man sie liegen lässt. Und »Der letzte Tag der Schöpfung« ist heute zweifellos noch besser als zu Beginn der Achtziger! Er ist grandios!
Speziell vor dem Hintergrund der Bush-Administration gewinnt Jeschkes Abenteuergeschichte einen bitter ironischen Unterton, der die unilaterale Politik einer auf Ressourcen versessenen Weltmacht nachgerade prophetisch kommentiert. Die Idee des aberwitzig in Szene gesetzten Öldiebstahls - ob er gelingt, muss man unbedingt selber lesen! - ist zugleich die Chronik einer Intervention von reinster militärischer Blauäugigkeit, sie karikiert die neokolonialistische Haltung selbsternannter Freiheitshüter und den Kontrollwahn einer Menschheit, die gegenüber ihrer technologischen Entwicklung immer mehr ins moralische Hintertreffen gerät. Ob Jeschkes Rahmenbedingungen für eine Zeitreise physikalisch haltbar sind - reizvoll sind sie allemal -, spielt dabei keine Rolle. Die Reise, so spannend sie beschrieben wird, ist lediglich ein dramaturgisches Vehikel, sie nimmt sich weit weniger ernst, als man lange glaubt. Tatsächlich liegt hierin der besondere Charme von Jeschkes Erzählweise: Durchzogen von feinem Spott, gewinnt das Genre Distanz zu sich selbst, nimmt ganz nebenbei die unreflektierte Technikgläubigkeit der Politiker und Militärs auf die Schippe und wirft einen fast liebevoll ironischen und zugleich bitterbösen Blick auf den intelligenten Affen Mensch, wie er selbstherrlich in den dünnen Verästelungen seines Stammbaums thront. Dass im Buch ein Vertreter des zwanzigsten Jahrhunderts mit einer felligen Vorfahrin aus der Urzeit kopuliert, ist kein Zufall. Die Szene, erzählt von einem der Protagonisten, gehört zu den oft nur wenige Zeilen langen Miniaturen, die Jeschkes Roman zum wahren Vergnügen machen. Am Boden eines noch nicht existenten Mittelmeers werden neben Atomgranaten vor allem Seitenhiebe ausgeteilt, dass einem die Rippen schmerzen, oft vor unterdrücktem Lachen. An anderer Stelle wird ein Affenmensch standrechtlich vom Militär exekutiert, obwohl er doch gar nichts getan hat, außer einem Rivalen die Gurgel durchzubeißen. Bis zuletzt ist dem Verurteilten schleierhaft, was daran jetzt so schlimm war. Kabinettstücke dieser Art serviert Jeschke am laufenden Band: Affe entlarvt Affe, oder Mensch Mensch - je nachdem, wie man es lieber hätte.
Am Ende führt sich die Wissenschaft ad absurdum, entpuppt sich der kühne Traum von der Beherrschung der Zeit als Einbahnstraße, und die Helden werden zurückgeworfen auf ihr bloßes Menschsein. Zwischen Nukleargefechten, Kannibalismus und rapider Verelendung, inmitten eines völlig sinnfreien Stellvertreterkriegs, der fünf Millionen Jahre vor unserer Zeit ungehemmt von Genfer Konventionen und ähnlichen Lästigkeiten munter vor sich hin tobt, entwickelt sich so etwas wie eine neue Humanität. Der ganze Aufwand, um Truppen und Material in die Frühzeit zu schicken, findet seinen atomaren Niederschlag in der sattsam bekannten Zerstörung der Umwelt. Mit der Manipulation der Vergangenheit verliert die Zukunft zudem jede Gültigkeit - man kann auch sagen, der Job entledigt sich seiner Auftraggeber, einfach indem er durchgeführt wird. Was bleibt, sind Zeitreisende, die ihre Illusionen gegen die simple Erkenntnis tauschen, dass ein bisschen Freundschaft und ein Sonnenaufgang über Afrika womöglich zum Höchsten gehören, was Menschen je erreichen können. Und darin, man mag es glauben oder nicht, liegt tatsächlich etwas Tröstliches.
Sprachlich und dramaturgisch bietet »Der letzte Tag der Schöpfung« klassische Unterhaltung vom Besten. Bis zum Showdown zieht Jeschke alle Register des großen Abenteuerromans - und hier, nur hier, stellt sich tatsächlich so etwas wie
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