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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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eine Sekunde davon rückgängig gemacht werden konnte, dass die Weichenstellungen, die er mit sorgloser Hand vorgenommen hatte, in dem leichtsinnigen Glauben, dass die damit herbeigeführten Entscheidungen immer noch korrigierbar wären, sich als irreversibel erwiesen, und diese Gewissheit lastete auf ihm wie ein Gebirge, wie dieses Gebirge aus Zeit, das man über seiner Brust aufgehäuft hatte, nur weil er an jenem Morgen - noch whiskytrunken und leichthin, wie so viele andere - sein Plastikkärtchen nicht zurückgegeben hatte, als man sie zu diesem Abenteuer einlud.
    Es war ihm, als säße er in einem viel zu engen Raumanzug, dessen lebensversorgende Systeme nur ungenügend funktionierten, an der Steuerkonsole eines Spaceshuttle, unter ihm die tote Erde, eine ausgebrannte Schlacke wie er selbst, die leblos in die Zukunft trieb. Das Funkgerät schwieg, er hörte nur den elektromagnetischen Gesang der Sterne, den Nachhall der Schöpfung, vom Rand des Universums zurückgeworfen wie das Rauschen der Brandung an einem fernen Ufer, und seine eigenen röchelnden Atemzüge im Mundstück des Sauerstoffgeräts, während er lautlos über dem Abgrund schwebte, tief unter sich der Hauch der Erdatmosphäre wie eine leichte Trübung am Rand, im Aufprall des Lichts diffuses Photonengestöber.
    Da trat zuckend der erste Schimmer der aufgehenden Sonne über den Horizont - und sank wieder zurück! Er musterte fieberhaft die Kontroll-Leuchten, aber sie waren erloschen. Die Anzeigeinstrumente standen auf Null.
    Ein Geruch von Fäulnis lag in der Luft. Schwarzer Atem füllte seine Lungen. Er hatte das Gefühl, dass die Erde ihn im Tod nicht länger festzuhalten vermochte, dass er hinaufschwebte gegen Mitternacht, haltlos den Sternen entgegen.
    »Was ist mit dir, Goodluck?«, keuchte er und starrte erschrocken die hochaufragende dunkle Gestalt an, die vor ihm stand und die Sterne verdeckte. Er roch die Fäulnis ihrer Wunden, das von Todesschweiß durchtränkte Fell.
    Die auf dem Achterdeck festgebundenen Tiere wurden unruhig, erhoben sich. Davy kam mit klickenden Klauen über die Planken auf ihn zu, schnaubte prüfend und stieß ihn mit der Schnauze an, dass er endlich erwache. Der Mond brach durch die Wolken.
    Steve starrte den Mast an, der ihm das Schreckbild einer aufrechten Gestalt vorgegaukelt hatte. Fern im Osten war blutrotes Wetterleuchten zu sehen, aber kein Sturm erhob sich. Am Morgen zeugten nur noch ein paar schmale, rauchige Wolkenbänke vom Gefecht der Luftschichten, die der aufsteigende Tag rasch einschmolz.
    Goodluck lebte. Steve wusch ihn und gab ihm zu trinken, stillte seinen Hunger und Durst.
    Sie fuhren Richtung Osten. Der Himmel war sonnentrunken und voller Heiterkeit, die Dünung im Gegenlicht von zuckenden Silberlanzen gestichelt, so segelten sie dahin, Tag um Tag, trieben durch eine endlose Dämmerung aus dunstiger Helle, über die sich fast unmerklich die bestirnte Nacht legte wie leichtes Gewölk.
    Vogelschwärme kreuzten ihren Kurs. Sie flogen sehr hoch. Steve konnte nicht erkennen, um welche Vögel es sich handelte. »Wir werden ihnen nach Süden folgen, Goodluck«, rief er.
    Nachts konnte er ihre Schreie zwischen den Sternen hören. Das Ufer zog vorbei, herbstlich gesprenkelter Wald, zwischen immergrünem Ginkgo loderten golden die Korkeichen, brannte der Ahorn, zwischen blassgrünen Zimtbäumen die schwarzen Flammen der Zypressen, fahlgelbes Buschwerk von dunklen Zedern überzweigt und von Pinien beschirmt.
     
    An der Mündung des Soumman steuerte Steve ans Ufer. Im östlichen Dunst lag die ehemalige Landezone, dahinter, fern, La Galite. Dort hatte es einst seinen Anfang genommen, war das Herz des Wals explodiert und hatte sie mit seinem Blut gezeichnet, waren die Galaxien der Realität auseinander gestoben.
    Er brachte Goodluck an Land, dann die Kamele und den Rest seiner Vorräte und Habseligkeiten und schlug ein Lager auf.
    Er trieb die ausgehungerten Tiere auf die Weide, versorgte Goodluck und legte sich nieder um auszuruhen. Er schlief wie ein Stein und erwachte von einem Sirren in der Luft, das in seinen Ohren widerhallte. Davy knurrte, und Goodluck warf unruhig den Kopf hin und her.
    Steve hob die Hand und beschirmte die Augen, sah ein helles kristallenes Glitzern in etwa zehn Metern Höhe, ein tropfenförmiges, nahezu durchsichtiges Gebilde von etwa fünf oder sechs Metern Länge, in dem - bäuchlings wie auf einem gedrungenen Wasserbett ruhend - eine Gestalt schwebte, gekleidet in einen

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