Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
er sich den Rucksack über die Schulter und begann die Blutspuren im Schnee zu beseitigen. Vor der Eingangstür des Stellwerks, dem eigentlichen Tatort, waren sie besonders deutlich. Er war gerade fertig, als er Schritte hörte. Ein Mann näherte sich von der Straße her, es war Catteaus Cousin Patrice Montana. Er fragte nach Dolly und meinte, dass er möglicherweise einen Job für sie habe. Ein kleines Bistro in der Rue de Charenton suchte eine Küchenhilfe. Michel Catteau erwiderte, dass Dolly noch unterwegs sei.
»Sag ihr, sie soll mir Bescheid geben, ob sie an dem Job interessiert ist.« Dann ging Montana zurück zur Straße. Michel wartete, bis er außer Sichtweite war, hob die Eisenstange auf und eilte über das Schienengelände zur Gare de Lyon. Unterwegs warf er die Mordwaffe auf ein stillgelegtes Gleis.
Einige Wochen später stand Michel Catteau vor Patrice Montanas Wohnungstür. Er brauchte einen festen Job. Am Tag zuvor hatte ihn eine Bande maghrebinischer Jugendlicher in der Wellblechhütte überfallen und die Blechbüchse mit dem Geld aus der Regentonne geklaut.
Er war froh, mit heiler Haut davongekommen zu sein. Seinem Cousin erzählte er, dass Dolly seit jener Nacht, als Montana zum Stellwerk gekommen war, verschwunden sei. Der Cousin wunderte sich zwar, eine Vermisstenanzeige gab er jedoch nicht auf. Dollys plötzliches Verschwinden sah er als einen Wink des Schicksals. Der Junge würde eine Chance bekommen, ein ordentliches Leben zu führen. Er besorgte Catteau einen Job bei einem Gemüsegroßhändler und brachte ihn einige Wochen in seiner Wohnung unter, bis Catteau ein möbliertes Zimmer mieten konnte. Bei dem Großhändler musste der Junge in aller Frühe aufstehen, mit dem Chef zur Großmarkthalle nach Rungis fahren und Kisten schleppen. Dass Michel Catteau neben diesem Job weiter Diebestouren unternahm und in verschiedenen Arrondissements alten Frauen die Handtasche raubte, ahnte Montana nicht. Nach einem Jahr gab Catteau den Job bei dem Gemüsehändler auf. Er war jetzt fast sechzehn Jahre alt. Seinem Cousin sagte er, er sei ins Computer- und Onlinegeschäft eingestiegen, wo er gutes Geld verdiene und Aufstiegschancen habe.
Wenig später wurde Patrice Montana Geschäftsführer des Tanzlokals Paradis. Bald tauchte Catteau an den Wochenenden dort auf und wurde Stammgast. Er war ein gefragter Tänzer und merkte schnell, dass er bei den älteren Damen mit seinem Charme und seiner zuvorkommenden Art gut ankam. Montana nahm das
nicht ohne Wohlwollen zur Kenntnis, steigerten doch die Aktivitäten seines Cousins den Umsatz bei den Getränken, die die Frauen großzügiger orderten. Catteaus neue Bekanntschaften waren einsam, und einige von ihnen wohlhabend, das fand er rasch heraus. Mit Annie Normand fing es 2003 an. Sie war Witwe, bezog eine stattliche Pension und hatte zudem in größerem Umfang geerbt. Catteau erschlich sich ihr Vertrauen, besuchte sie zu Hause und erzählte von angeblichen Geschäftsplänen, für die ihm nur noch das Startkapital fehlte. Annie Normand besorgte es, setzte zu äußerst günstigen Bedingungen einen Darlehensvertrag auf, den Catteau vor der Übergabe des Geldes unterzeichnen sollte. Doch dazu kam es nicht. Catteau schlug die Frau nieder, erdrosselte sie mit dem Kabel ihres Bügeleisens und verschwand mit dem Geld und dem nicht unterzeichneten Vertrag.
Bei Griseldis Geminard ging er ähnlich vor. Die Frau vertraute ihm und verliebte sich sogar in ihn. Was Michel Catteau besonders abstieß. Doch er spielte das Spiel mit, achtete aber darauf, dass es nie zu Intimitäten kam. Er flirtete mit ihr, brachte ihr Blumen und kleine Geschenke, bis er sie so weit hatte, dass sie ihn finanziell unterstützen wollte. Am Freitag der vergangenen Woche hob sie von ihrem Konto 25 000 Euro ab, für die sie noch nicht einmal Zinsen berechnen wollte. Diese Summe war als Startkapital für ein Restaurant gedacht, das er angeblich eröffnen würde.
Am Sonnabendmorgen kam er zu ihr in die Wohnung, um das Geld in Empfang zu nehmen. Früher, als sie verabredet hatten. Über die Blumen, die er ihr mitbrachte, freute sie sich. Aus dem Wohnzimmer erklangen die lauten Töne eines Musettewalzers. Als Griseldis Geminard aus der Nachttischschublade in ihrem Schlafzimmer den Umschlag mit dem Geld holen wollte, folgte er ihr. Auf ihrem Bett lag ein violettfarbener Seidenschal. Er griff danach und schlang ihn blitzschnell von hinten um den Hals des Opfers. Es dauerte nicht lange, bis die alte Frau
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