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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Schlitz neben der inneren Sicherheitstür, führte Lorena zum Lift, der sich auch nur mit seiner Badge bedienen ließ, und fuhr hinauf zum dritten Stock.
    Weynfeldts Wohnung lag in einem Haus aus den Gründerjahren in bester Geschäftslage. Er hatte es von seinen Eltern geerbt. Im Erdgeschoss hatte sich noch zu Lebzeiten seiner Eltern eine Bank eingemietet, die in den übrigen vier Stockwerken auch ihre Büros untergebracht hatte. Die Sicherheitsvorkehrungen der Bank waren zwar manchmal etwas lästig, aber sie kamen Weynfeldt auch nicht ganz ungelegen, da er in seiner Wohnung eine wertvolle Sammlung Schweizer Kunst aus dem neunzehnten und der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts beherbergte.
    Er ging nicht ein auf die regelmäßigen Vorstöße der Bank, die sich die Wohnung gerne einverleibt hätte und ihn immer wieder mit Wohnungen in ruhigeren Lagen zu verlocken versuchte. Er hatte bis auf seine Internatsaufenthalte und sein Jahr in London sein ganzes Leben in dieser Wohnung verbracht. Als Kind bewohnte er ein Zimmer in der Nähe der Räume seiner Eltern, je älter er wurde, desto weiter zog er an die Peripherie der gut fünfhundert Quadratmeter Wohnfläche. Als er studierte, baute man die Personalräume zu einer Wohnung mit Küche aus, und die Haushälterin bezog eines der drei Gästezimmer. Das zweite wurde bald benötigt für die Unterbringung der Hauspflege von Weynfeldts Vater, der mit fünfundsiebzig ein Pflegefall geworden war.
    Seine Mutter überlebte ihren Mann um fast zwanzig Jahre und verbrachte diese, die vier letzten rund um die Uhr betreut, ebenfalls in der Wohnung. Gleich nach ihrem Tod beauftragte Weynfeldt einen Architekten aus seinem jüngeren Freundeskreis, die Räume von Grund auf zu renovieren. Dieser verwandelte die altmodischen Bäder und WC s in durchdesignte Nasszellen aus sandgestrahltem Glas, mattiertem Chrom und grauem Granit, ersetzte die knarrenden Nussbaumparkette durch Eichenriemen, strich Tapeten und Stuck weiß oder grau und befreite die ganze Wohnung vom Muff der letzten hundert Jahre.
    Weynfeldt lagerte das Mobiliar ein bis auf ein paar besondere Stücke und möblierte die Räume mit seiner rasch wachsenden Sammlung von Schweizer Designmöbeln der zwanziger, dreißiger, vierziger und fünfziger Jahre.
    In diese Wohnung bat er jetzt die mehr als nur beschwipste Lorena, die im Vestibül Mantel und Handtasche auf das Parkett fallen ließ und sagte: »Wow!«
    Sie sagte noch ein paarmal »Wow!« während ihres Rundgangs durch die Wohnung. »Wow! Wie ein Museum.« Und: »Wow! Bewohnst du das allein?«
    Die Besichtigung schien sie etwas auszunüchtern. In Weynfeldts Arbeitszimmer, einem großen Raum mit einer ebenfalls während des Umbaus eingebauten raumhohen Glasfront gegen den Hinterhof, fragte sie:
    »Und hier?«
    »Hier arbeite ich.«
    »Was arbeitest du?«
    »Ich arbeite für ›Murphy’s‹. Als Experte für Schweizer Kunst.«
    »Was tut man da so?«
    »Man macht Expertisen, betreut Auktionen, produziert Kataloge et cetera.«
    »Klingt langweilig.«
    »Ist es nicht.«
    »Darum die ganze Kunst.«
    »Umgekehrt: Wegen der ganzen Kunst der Beruf.«
    »Findest du auch etwas zu trinken in diesem Palast?«
    »Nur alkoholfrei.«
    »Du lügst.«
    »Was willst du denn?«
    »Das Gleiche wie du.«
    »Dann einen Verveine.«
    Als er mit dem Tablett zurückkam, war sie nicht mehr im Arbeitszimmer. Auch in keinem der Salons. Er fand sie schließlich im Schlafzimmer. Sie lag in Höschen und BH auf seinem Bett und sah aus, als schlafe sie.
    Weynfeldt ging ins Bad, duschte und zog einen frischen Pyjama an. Wie jeden Abend. Er besaß vierzehn Pyjamas, alle von seinem Hemdenmacher, alle mit Monogramm, sechs hellblaue für die geraden Tage, sechs blauweiß gestreifte für die ungeraden, zwei weiße für die Sonntage. Eine der kleinen Marotten, die er sich leistete und mit denen er ein wenig Luxus und ein wenig Regelmäßigkeit in sein Leben brachte. Denn er glaubte an die Regelmäßigkeit als lebensverlängernde Maßnahme.
    Es gab auch die andere Theorie: Die Regelmäßigkeit mache die Tage gleichförmig, und je mehr sich die Ereignisse und Gewohnheiten wiederholten, desto ähnlicher würden sich die Tage und damit die Jahre. Bis das Leben einem wie ein einziges Jahr vorkomme.
    Weynfeldt war vom Gegenteil überzeugt. Je öfter man die gleichen Dinge tat, die gleichen Orte besuchte und die gleichen Leute traf, desto kleiner würden die Unterschiede. Und je kleiner die Unterschiede, desto

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