Der Leuchtturm am Ende der Welt
würde. Die Flut mußte sich bald bemerkbar machen und nach wenigen Stunden würde schon Hochwasser sein.
So sagte Kongre denn zu Carcante:
»Wir wollen alles bereit machen, die Goelette wegzubugsieren, sobald genug Wasser unter dem Kiel steht. Möglicherweise hat sie gar keine Havarie erlitten und nimmt kein Wasser ein..
– Darüber werden wir sehr bald klar sein, erwiderte Carcante, denn die Flut fängt schon an zu steigen. Doch dann, was machen wir dann, Kongre?
– Wir schleppen die ›Maule‹ bis über den Klippengürtel hinaus und bringen sie dann längs des Kaps in die Pinguinbucht hinein bis vor die Felsenhöhlen. Dort wird sie. selbst bei tiefster Ebbe, nicht auf Grund liegen, da sie nur sechs Fuß Tiefgang hat.
– Und dann?…
– Dann verladen wir darauf alles, was von der Elgorbucht dorthin geschafft worden war.
– Schön. Nachher aber?…
– Nachher?… Das wird sich ja finden,« gab Kongre einfach zur Antwort.
Man ging also an die Arbeit, und zwar sofort, um die nächste Flut noch ausnützen zu können, denn andernfalls hätte sich die Flottmachung um volle zwölf Stunden verzögert. Um jeden Preis sollte die Goelette zu Mittag in der Bucht verankert liegen. Dort konnte sie den Grund nicht berühren und würde, wenn das Wetter nicht gar zu ungünstig wurde, verhältnismäßig in Sicherheit sein.
Zunächst ließ Kongre durch seine Leute den Anker aus dem Kranbalken an Steuerbord ausheben und ihn draußen vor der Sandbank unter dem Nachschießenlassen seiner Kette auslegen. Auf diese Weise wurde es, sobald der Kiel nicht mehr im Sande begraben lag, möglich, die Goelette bis an eine Stelle heranzuziehen, wo sie hinreichend tiefes Wasser fand. Bevor dann das Hochwasser wieder zu verlaufen anfing, hatte man Zeit genug, die Bucht zu erreichen, und am Nachmittage sollte endlich eine eingehende Besichtigung der Wände des Laderaumes vorgenommen werden.
Die erwähnten Vorbereitungen wurden so schnell ausgeführt, daß sie schon beendet waren, als sich die Flut zuerst bemerkbar machte. Die Sandbank wurde da in ganz kurzer Zeit vom Wasser überdeckt.
Kongre, Carcante und ein halbes Dutzend ihrer Genossen stiegen wieder an Bord, während sich die übrigen nach dem Ufer zurückbegaben.
Jetzt hieß es nun einfach: abwarten. Bei ansteigender Flut frischt der Seewind häufig ziemlich kräftig auf. Gerade das war aber vor allem zu fürchten, denn dadurch wäre die ›Maule‹ leicht weiter in den Sand der nach der Küste zu sich verbreiternden Bank getrieben worden. Jetzt war fast Nipptid, d. h. niedrigster Wasserstand, und vielleicht stieg das Meer nicht einmal hoch genug, die Goelette wieder flott zu machen, wenn sie, und wär’s nur um eine halbe Kabellänge, weiter nach der Küste getrieben wurde.
Doch nein, es schien, als ob die Umstände Kongres Pläne begünstigen wollten. Die Brise wurde etwas stärker, wehte aber von Süden und unterstützte so das Abheben der ›Maule‹.
Kongre und die andern standen auf dem Vorderteile, das eher schwimmen mußte als das Hinterteil. Konnte die Goelette erst auf ihrer Pieling (hinterm Kielende) schwenken, so brauchte man nur das Gangspill zu benutzen, den Vordersteven nach dem Meere hin zu drehen, und dann mußte das Fahrzeug an der hundert Faden langen Kette so weit hinausgezogen werden, bis es wieder in seinem Elemente war.
Das Wasser stieg langsam höher. Zuweilen verriet schon ein leises Erzittern des Rumpfes, daß sich die Flut an ihm bemerkbar machte. Draußen wogte eine sanfte Dünung, bei der sich keine Welle überstürzte. Günstigere Verhältnisse hätte man sich gar nicht wünschen können.
Wenn Kongre jetzt überzeugt war, daß es gelingen werde, die Goelette flott zu machen und sie in einer der Einbuchtungen der Franklinbai in Sicherheit zu bringen, so beunruhigte ihn doch nicht wenig ein andrer Gedanke, der, ob die ›Maule‹ nicht an der Backbordflanke beschädigt wäre, die auf dem Sande lag und deshalb nicht hatte besichtigt werden können. Befand sich da ein Leck, so würde man nicht Zeit genug haben, es unter dem Ballast zu suchen und, wenn auch nur notdürftig, zu verschließen. Dann erhob sich das Schiff nicht aus seiner Suhle (der Vertiefung im Sande) und lief noch weiter voll Wasser. Dann mußte man es an dieser Stelle liegen lassen, wo es der nächste Sturm zu zertümmern drohte. Das war ja eine ernste Sorge. Mit welcher Ungeduld verfolgten auch Kongre und seine Genossen das Anwachsen der Flut! Wenn eine Planke eingedrückt war,
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