Der Leuchtturm am Ende der Welt
Leben teuer zu verkaufen und sich des stets im Gürtel getragenen Revolvers ohne Schonung zu bedienen. Aber er allein… allein gegen drei!…
Nur zwei erschienen im Eingange der Höhle, Carcante und der Zimmermann Vargas. Kongre hatte sie nicht begleitet.
Carcante trug eine angezündete Fackel und suchte im Verein mit Vargas verschiedene Gegenstände aus, die die Ladung der Goelette vervollständigen sollten. Dabei sprachen sie ohne Rückhalt miteinander.
»Nun haben wir schon den 17. Februar, sagte der Zimmermann, und es ist hohe Zeit, in See zu gehen.
– Ja freilich, wir werden auch abfahren, antwortete Carcante.
– Vielleicht schon morgen?
– Ja, ich denke morgen, wir sind ja mit allem fertig.
– Dazu gehört nur, daß das Wetter uns keinen Strich durch die Rechnung macht.
– Möglich wär’s schon, es sieht heute Morgen etwas drohend aus; doch das kann sich auch wieder aufklären.
– Wenn wir hier nur nicht gar acht bis zehn Tage aufgehalten werden…
– Ja, sagte Carcante, da könnten wir leicht noch mit dem Ablösungstransport zusammentreffen.
– Das wollen wir nicht wünschen! rief Vargas. Wir sind nicht stark genug, mit einem Kriegsschiff fertig zu werden.
– Nein, aber die würden mit uns fertig werden, und zwar so, daß wir bald an den Rahenenden baumelten! antwortete Carcante, der seine Worte mit einem lästerlichen Fluche begleitete.
– Na, mit einem Worte, erwiderte der andre, ich schwämme am liebsten schon ein paar hundert Meilen weit draußen!
– Morgen, morgen, sag’ ich dir, versicherte Carcante, wir müßten nun gerade einen Sturm bekommen, der den Guanakos die Hörner vom Kopfe wegbliese.«
Vasquez vernahm diese Worte; er verhielt sich mäuschenstill, er wagte kaum zu atmen. Die Leuchte in der Hand, wendeten sich Carcante und Vargas einmal hier-und einmal dorthin. Sie rückten verschiedene Gegenstände von ihrer Stelle und wählten andre aus, die sie sich handgerecht zur Seite legten. Manchmal näherten sie sich dem Winkel, worin Vasquez sich versteckt hielt, so weit, daß dieser nur hätte den Arm auszustrecken brauchen, um ihnen den Revolver an die Brust zu setzen.
Die Durchsuchung der Höhle währte eine halbe Stunde, dann rief Carcante den in der Schaluppe zurückgelassenen Mann herbei. Dieser kam eiligst herausgelaufen und half eifrig, die Packe und Ballen hinwegzuschaffen.
Carcante ließ noch einen letzten Blick durch die Höhle schweifen.
»Jammerschade, sagte Vargas, so vieles hier liegen lassen zu müssen!
– Es geht aber nicht anders, erkärte Carcante. Ja, wenn die Goelette dreihundert Tonnen groß wäre!… Wir nehmen jedoch alles mit, was von besonderm Wert ist, und ich hoffe, damit wird sich da unten noch ein gutes Geschäft machen lassen.«
Die Männer verließen hiermit die Höhle, und bald glitt die Schaluppe mit Rückenwind dahin und verschwand nach kurzer Zeit hinter einem Landvorsprung der Bucht.
Vasquez trat nun auch heraus und begab sich wieder nach seiner Grotte.
Nach achtundvierzig Stunden würde er also nichts mehr zu essen haben, denn bei ihrer Abfahrt würden Kongre und seine Leute jedenfalls auch alle Vorräte aus dem Lagerhause am Turm mit fortschleppen, so daß er auch da nichts mehr fände. Wie sollte er dann sein Leben fristen bis zur Rückkehr des Avisos, der, selbst wenn seine Fahrt keine Verzögerung erlitt, vor weitern vierzehn Tagen gar nicht eintreffen konnte?
Die Lage gestaltete sich für den Verlassenen also höchst ernsthaft. Bei allem Mute, aller Energie konnte Vasquez sie kaum bessern, er müßte sich denn mit Wurzeln, die er im Buchenhain ausgrub, oder mit Fischen ernähren können, die er vielleicht in der Bucht fangen konnte. Dann mußte die ›Maule‹ die Stateninsel aber vorher endgültig verlassen haben. Wurde sie durch irgendwelchen Umstand genötigt, noch mehrere Tage vor Anker zu liegen, so erlag Vasquez in seiner Grotte unvermeidlich dem Hungertode.
Die Stunden verstrichen; das Aussehen des Himmels wurde immer drohender. Mächtige graugelbe Wolkenmassen türmten sich im Osten empor. Die Stärke des Windes wuchs, je weiter er nach der Seite des offnen Meeres umschlug. Die kleinen Wellen, die anfänglich schnell über die Wasserfläche hinrollten, verwandelten sich bald in lange Wogen mit schaumgekröntem Kamme und schlugen donnernd gegen die Felswand des Kaps.
Wenn dieses Wetter anhielt, konnte die Goelette mit der Flut am nächsten Morgen jedenfalls noch nicht auslaufen.
Als der Abend herankam, war noch
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