Der Leuchtturm am Ende der Welt
seinen Gefährten auf dem Strande allein ließ, in der Höhle, die ihnen als Zufluchtsort gedient hatte, und nahm hier recht geheimnisvolle Dinge vor. Der Obersteuermann von der ›Century‹ überraschte ihn einmal dabei, als er im Begriff war, sein großes Messer an einer Felsenkante sorgsam zu schärfen, und ein andermal, als er ein Hemd in Streifen zerriß, aus denen er nachher eine Art Schlinge herstellte.
Auf die an ihn darüber gerichteten Fragen gab Vasquez nur ausweichende Antworten und versicherte, er werde sich, wenn es Abend würde, über sein Verhalten deutlicher aussprechen. John Davis drang auch nicht weiter in ihn.
Um vier Uhr machten sich beide, mit ihren Revolvern bewaffnet, auf den Weg, nachdem sie noch etwas Schiffszwieback und ein Stück Corned-beef gegessen hatten.
Eine enge Schlucht erleichterte ihnen das Ersteigen der Hügel, deren Kamm sie ohne große Anstrengung erreichten.
Vor ihnen dehnte sich hier eine dürre, nur da und dort mit einzelnen Sauerdornbüschen bestandne Hochebene aus… nicht ein einziger Baum so weit das Auge reichte. In Scharen nach Süden fliehend, flogen einige schreiende und kreischende Seevögel über die Einöde hin.
Was die einzuhaltende Richtung, den hintern Teil der Elgorbucht zu erreichen, anging, so ergab diese sich ganz von selbst.
»Dort!« sagte Vasquez und wies dabei nach dem Leuchtturm, der sich etwa in der Entfernung von zwei Meilen erhob.
»Also vorwärts!« antwortete John Davis.
Beide schritten nun schnell dahin. Eine gewisse Vorsicht zu beobachten, hatten sie ja erst nötig, wenn sie dem Landeinschnitte näher kamen. Erst nach einem halbstündigen Gewaltmarsche hielten sie schwer atmend einmal inne, von Müdigkeit verspürten sie aber nichts. Jetzt hatten die Wandrer noch eine halbe Seemeile zurückzulegen, und nun hieß es, etwas vorsichtig sein für den Fall, daß Kongre oder einer seiner Leute, um nach allen Seiten zu spähen, auf der Turmgalerie gewesen wäre. In dieser nur mäßigen Entfernung konnten sie recht gut bemerkt worden sein.
Die Goelette lag, in dem Landeinschnitte schwimmend, vor ihnen. (S. 170.)
Bei dem hellen Wetter war die Galerie deutlich sichtbar. Darauf befand sich in diesem Augenblicke zwar niemand, Carcante oder einer der andern hielt sich vielleicht aber im Wachzimmer auf, von wo aus man durch die schmalen, nach den Haupthimmelsgegenden gerichteten Fenster die Insel in weitem Umkreise übersehen konnte.
John Davis und Vasquez schlüpften zwischen den hier in chaotischer Unordnung zerstreuten Felsblöcken hin. Sie sprangen schnell von einem zum andern oder krochen sogar weiter, wenn eine größre offne Stelle zu überschreiten war. Auf dem letzten Teile des Weges kamen sie deshalb auch nur langsam vorwärts.
Fast sechs Uhr war es, als sie den Rand der Hügel erreichten, die den Landeinschnitt einrahmten. Jetzt richteten sie die Blicke nach diesem hinunter.
Es war kaum möglich, daß sie hier gesehen werden konnten, wenn nicht einer von der Bande selbst den Hügel erstieg, wo sie sich befanden. Selbst von der Höhe des Leuchtturms aus konnten sie nicht entdeckt werden, so gut waren sie durch die Felsmassen der Umgebung gedeckt.
Da lag die Goelette, in dem Landeinschnitte schwimmend, vor ihnen, Masten und Rahen in bester Ordnung und die sonstige Takelage in tadellosem Zustande. Die Mannschaft war beschäftigt, den Teil der Ladung, der einstweilen auf dem Deck niedergelegt worden war, wieder im Frachtraume unterzubringen. Am Hinterteile schaukelte das von seinem Seile gehaltene Boot, und da es nicht mehr dicht an der Backbordsverplankung anlag, wies das darauf hin, daß die Arbeiten beendigt, die Kugellöcher wieder dicht verschlossen waren.
»Sie sind seeklar, murmelte John Davis, der mit Mühe einen sich ihm aufdrängenden Zornesausdruck zurückhielt.
– Ja, wer weiß, ob sie nicht noch vor dem Eintritt der Ebbe, vielleicht in zwei bis drei Stunden, abzufahren denken.
– Und nichts dagegen tun zu können… nichts!« murrte John Davis.
Der Zimmermann Vargas hatte richtig Wort gehalten; seine Arbeit war schnell und gut beendet worden. Von der Havarie sah man keine Spur mehr, die beiden Tage hatten hingereicht, jede Andeutung daran zu verwischen. Lag die Fracht wieder an Ort und Stelle und waren die Luken geschlossen, so war die ›Carcante‹ nach allen Seiten fertig, wieder abzufahren.
Inzwischen verflossen die Stunden, die Sonne sank allmählich und verschwand endlich ganz; es wurde Nacht, ohne daß
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