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Der Liebestempel

Der Liebestempel

Titel: Der Liebestempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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erweckte den Eindruck, als stelle das eine ungeheure
Freude für mich dar. »Willst du den Lieutenant hinausbegleiten, Justine ?«
    Ich folgte der Blonden aus dem
Raum und ging durch den langen Korridor zurück zum schmiedeeisernen Tor. Sie
öffnete es und trat mit höflichem Lächeln beiseite. Als ich an ihr vorüberging,
flüsterte sie etwas, aber ihre Stimme war so leise, daß ich nichts verstehen
konnte.
    »Wie bitte?« fragte ich.
    »Gehen Sie weiter und bleiben
Sie dann stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden«, flüsterte sie. »Er
beobachtet uns im Augenblick, aber gleich wird er nur noch meinen Hinterkopf
sehen.« Ich gehorchte, und als das Zündholz aufflammte, sprach sie weiter. »Er
hält sich für so gerissen, daß er mit allem fertig wird. Aber ich werde nicht
zulassen, daß er da ein hübsches und bequemes Unternehmen ruiniert! Steht Ihre
Nummer im Telefonbuch? Wenn ja, nicken Sie.« Ich nickte kaum merklich. »Gut«,
sagte sie. »Seien Sie also heute abend um acht Uhr zu
Hause, und erwarten Sie Besuch.« Ihre Stimme bekam wieder normale Lautstärke.
»Auf Wiedersehen, Lieutenant. Wie auch Rafe schon
sagte, tut es mir leid, daß wir Ihnen nicht besser helfen konnten.«
    Dann drehte sie sich um, und
ich beobachtete noch ein paar Sekunden lang das kecke Wippen ihres rundlichen Hinterteils
unter der gelben Hülle, bevor ich zum Wagen zurückkehrte. Das Wasser ergoß sich
nach wie vor über die üppigen Rundungen der Marmorvenus im Hof, aber ich
überlegte, daß der fliegende Teppich entschieden Verspätung hatte, weil er noch
immer nicht eingetroffen war. Das Verdeck des Austin-Healey war
zurückgeschlagen, und die frühe Nachmittagssonne brannte heiß in meinem Nacken,
als ich wieder zu dem Haus am See hinausfuhr. Eine Weile dachte ich noch über
Kendall und die blonde Justine nach, aber dann gab
ich das auf und überlegte, daß zumindest die Leiche echt gewesen war.
    Samantha öffnete mir die
Haustür. Sie trug ein adrettes Schürzenkleid, ihr langes schwarzes Haar war
ordentlich in Zöpfe geflochten, und ihre großen grauen Augen wsren ernst.
    »Hallo!« Sie warf mir einen
abschätzenden Blick zu. »Wollen Sie meine Mommy sprechen?«
    »Ganz recht.« Ich lächelte
unsicher. »Ist Mr. Bryant bei ihr?«
    »Onkel Paul ist nach Hause
gegangen.« Sie öffnete die Tür weiter. »Bitte kommen Sie herein, Lieutenant.
Ich werde Mommy sagen, daß Sie hier sind.«
    Ich folgte ihr ins Wohnzimmer.
Sie warf einen schnellen forschenden Blick in die Runde, Wie eine erfahrene
Gastgeberin, die nach Staub Umschau hält, und forderte mich dann feierlich zum
Sitzen auf.
    » Mommy ist oben in ihrem Zimmer — und weint.« Sie faltete die Hände über der dünnen
Brust und nickte ernst vor sich hin. »Ich glaube, wegen Daddy. Ich glaube, sie
hat ihr Licht, das sie führt, verloren.«
    »Wie schade«, murmelte ich.
    »Sie wird es sicher bald
wiederfinden.« Die klare helle Kinderstimme klang zuversichtlich. »Erwachsene
sind so. Wissen Sie? In einem Augenblick schreien sie einen wegen nichts und
wieder nichts an, und im nächsten versuchen sie, nett zu sein und einem was zu
kaufen, was man gar nicht haben will. Wenn Daddy zu Hause war, war es genauso,
daran erinnere ich mich. Die meiste Zeit über haben sich die beiden
angeschrien; aber wenn ich in der Nähe war, taten sie, als ob alles in Ordnung
wäre. Deshalb glaube ich auch, daß Mommy es bald
überstehen wird. Ich glaube nicht, daß sie meinen Daddy überhaupt gern mochte.«
    »Mochtest du deinen Daddy gern,
Samantha?«
    »Ich glaube schon.« Sie legte
den Kopf auf eine Seite, einen nachdenklichen Ausdruck in den Augen. »Aber ich
habe nie viel von ihm gesehen, er war fast immer weg. Trotzdem — ich glaube,
ich mochte ihn lieber als Onkel Paul. Onkel Paul ist ein Widerling.«
    »Samantha!«
    Wir drehten beide den Kopf und
sahen Gail Magnuson auf der Schwelle stehen. Ihr
Gesicht war rot vor Zorn. Sie machte einen ungeduldigen Schritt auf das Kind zu
und blieb dann stehen.
    »Das reicht mir jetzt, junge
Dame! Geh in dein Zimmer hinauf und bleib dort, bis du bereit bist, dich zu
entschuldigen!«
    »Na gut.« Die Kleine nickte
resigniert und blickte mich dann an. »Sehen Sie, Lieutenant? Das ist noch so
was bei den Erwachsenen. Dauernd erzählen sie einem, wie wichtig es sei, die
Wahrheit zu sagen, und wenn man’s tut, dann stauchen sie einen zusammen.
Manchmal möchte ich wissen, ob ich mich selber noch verstehen werde, wenn ich
mal erwachsen bin.«
    Sie ging

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