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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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und unzufriedene Frau gewesen, hätte sie nicht den Schmuck gestohlen. Ein Unfall. Und du bist eine wichtige Zeugin. Hast du den Schmuck gesehen, den Rosemarie bei ihr gefunden hat?«
    »Ja, einen Teil davon. Eine goldene Kette, ein Rosenkranz aus Amethystperlen mit einem passenden Kreuz, ein kleines Bergkristallreliquiar, ein Rubinring und ein Siegelring mit einem eingeschnittenen, sich aufbäumenden Pferdchen.«
    »Das sind genau die Sachen, die aus den Sammlungen entwendet wurden. Ich werde jetzt die Beschreibungen der Schmuckstücke aus den Inventarlisten holen und zur Souspréfecture laufen, um zu beweisen, dass Madame die Sachen gestohlen hat und nicht Rosemarie. Faucon kennt sie. Sicherlich kann er sie noch heute Nacht freilassen.«
    »Du kannst doch nicht alleine in der Nacht...«
    »Doch, ich kann!«
    »Marie-Anna, nein.«
    »Dein Vater wird mich sicher zurückbegleiten.«
    Marie-Anna war schon auf dem Weg in das Arbeitszimmer. Die Unterlagen waren schnell zusammengestellt, es waren diejenigen, an denen sie gerade arbeiteten. Dann nahm sie ihren alten Umhang und machte sich auf den Weg zur Préfecture.
     
    »So, meine Lieben, das war der Rest der Aufzeichnungen. Was jetzt noch übrig ist, besteht aus Zeitungsanzeigen und Zettelkram. Die auszuwerten habe ich jetzt aber keine Lust mehr.« Rose gähnte herzzerreißend, und auch ich war müde. Cilly hatte zwar noch genügend jugendliche Energie, aber es brauchte keine große Überredungskunst, sie ebenfalls ins Bett zu locken.

    »Nein, Cilly, morgen schauen wir nach, ob sich noch irgendetwas aus den Unterlagen ergibt.« Eine tiefe Melancholie überkam mich bei dem Gedanken an das, was damals noch geschehen sein mochte. »Es bleibt nicht mehr viel, fürchte ich.«
    Wir brauchten die Unterlagen nicht mehr – ich träumte in dieser Nacht von Marie-Annas Schicksal. Und es waren Roses und Cillys bestürzte Gesichter, in die ich blickte, als ich tränenüberströmt aufwachte.
    »Anita, du hast so herzzerreißend geweint, wir mussten dich wecken. Was ist passiert?«
    »Marie-Anna.«
    Cilly kuschelte sich unter meine Decke und nahm mich in den Arm. Rose holte ihre Decke von nebenan und legte sich auf die andere Seite von mir.
    »Es ist besser, du erzählst es.«
    »Ja, ich will es versuchen.«

33. Kapitel
    Sabotage
    Es war kurz vor Mitternacht. Zwei vermummte Gestalten schlichen um das Munitionsdepot in der Nähe der Sous-Préfecture herum, das die französischen Besatzer in einem der verfallenen, jetzt einigermaßen zu diesem Zwecke instand gesetzten Gebäude angelegt hatten. Sie trugen Hakenstöcke und Seile bei sich, und im Schutz der mondlosen Nacht erklomm einer von ihnen mit ihrer Hilfe die Außenwand des Hauses. Der andere blieb unten, um ein Auge auf die vier Soldaten zu haben, die in den unteren Räumen ihren Wachdienst versahen. Eines der oberen Fenster, das hatten sie bereits zuvor ausgekundschaftet, war leicht zu öffnen. Über den Sims kletterte der gewandte Saboteur in das Innere des Hauses. Leise knarrte der Holzboden unter seinen Füßen, und er verharrte einen Moment lauschend. Doch die Wachhabenden schienen nichts gehört zu haben.
    Sehr vorsichtig bewegte er sich die Treppe hinunter, die in den Lagerraum führte. Aufgestapelt standen hier Kisten mit Munition für die Gewehre der Gendarmen und der Soldaten sowie Fässer mit Pulver für die Kanonen auf den Stadtbefestigungen. Mit flinken Bewegungen, die von langer Erfahrung im Umgang mit derartigem Material zeugten, legte der Saboteur Zündschnüre entlang den explosiven Vorräten und gestaltete das ganze Arrangement so sorgfältig, dass er und sein Kumpan lange genug Zeit haben würden, vom Schauplatz des Geschehens zu verschwinden, ehe die erste Pulverkiste hochgehen würde.

    Danach schlich er zum Fenster zurück und schaute hinaus. Die Luft schien rein zu sein. Er gab seinem Kumpanen ein Zeichen mit der Kerze, die er jetzt entzündet hatte, dann legte er Feuer an das Ende der Zündschnur. An dem Seil, das er um das Fensterkreuz geschlungen hatte, wollte er sich hinunterlassen, doch nun rächte es sich, dass er ein Fenster zum Einstieg gewählt hatte, das morsch genug war, um es aufzubrechen. Der Holzstreben, der das Seil halten sollte, brach, und er fiel aus halber Höhe nach unten auf das Pflaster. Es war kein gefährlicher Sturz, doch unwillkürlich schrie er auf.
    »Verdammt!«, zischte sein Gefährte und zog ihn auf die Füße. Schon öffnete sich die Tür des Wachraumes. Die Soldaten

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