Der Lilienring
sich in der Hoffnung auf weitere kulinarische Raubzüge ins Haus geschlichen hatte, um meine Beine streifte, hörte ich zu, was Jan zu vermelden hatte. Er erzählte, was sich in den Tagen von Montag bis heute, Donnerstagnachmittag, ereignet hatte.
»Valerius hat die Fotos am Montagmittag auf seinem Schreibtisch gefunden. Hey, Ana, die sind echt stark. Drei Stück haben wir ausgesucht. Das erste ist eine Rückenansicht, die Haare fließen über die bloße Haut, und man sieht nur ein kleines bisschen von deinem Profil über der Schulter. Aber es ist schon klar, wer das ist. Das zweite – wow -, da liegst du auf dem Rücken,
und die Haare verdecken deinen Busen. Aber nicht ganz. Also – zum Reinbeißen schön. Das dritte ist eine Portraitaufnahme. So was habe ich noch nicht gesehen, echt. Du hast ein ganz, ganz stilles Gesicht, deine Augen blicken weit in die Ferne. Man sieht die Narbe deutlich, und eine einzelne Träne hängt an deinen Wimpern. Dieser Marc ist ein phantastischer Fotograf. Er hat eine Welt voller Sehnsucht darin festgehalten, Ana. Jeder, der deine Bilder sieht, wird sich in dich verlieben.«
»Ach, Jan! Es reicht einer.«
»Na, den hat es wohl auch getroffen. Zumindest kann man das aus seinen Reaktionen schließen. Cosy hat mir alles weitererzählt. Er hatte die Bilder noch keine fünf Minuten in der Hand, da fing er schon an zu telefonieren. Erst einmal hat er alle deine Nummern durchprobiert, dann die von Rose. Aber ihr seid ja stumm geschaltet. Deprimierend, nicht einmal einen Anrufbeantworter oder eine Mailbox zu bekommen. Anschlie ßend hat er es bei Roses Mutter versucht. Die hat ihm höflich, aber bestimmt mitgeteilt, sie sei nicht bereit, irgendwem eine Auskunft über euch zu geben. Bei deiner Mutter hat er ebenfalls nichts erreicht.«
»Natürlich nicht, sie ist in einer Klinik, und Tilly weiß nichts.«
»Jau, dann hat er es zunächst aufgegeben, wahrscheinlich hat er es abends von seiner Wohnung aus noch mal versucht, in der Hoffnung, dich zu Hause anzutreffen. Am Dienstag hat er als Erstes seinen Neffen Falko angeklingelt. Cosy hat gelauscht. Den hat er reichlich zusammengefaltet. So von wegen, dass er seiner Bitte Folge geleistet hatte, dich nicht zu treffen, jetzt jede Spur von dir verloren habe, und dass er gefälligst alle Hebel in Bewegung setzen solle, dich zu finden. Der Herr Staatsanwalt hat unbürokratische Hilfe zugesagt, und seither versuchen sie, dein und Roses Handy zu orten.«
»Schön, sind und bleiben ausgeschaltet.«
»Dann wurde Valerius kreativ. Er hat versucht, herauszufinden, wer ihm die Fotos zugespielt hat. Die reizende Belinda gab ihm die Beschreibung der Dame, die sie abgeliefert hat, was ihm zunächst wenig weiterhalf. Daraufhin hat er Marc angerufen und gefragt, ob er wüsste, wo du bist. Der hat die Situation wohl weidlich ausgekostet und so getan, als ob er es zwar wüsste, aber die Info ums Verrecken nicht herausrücken würde. Er hat aber behauptet, er würde sich am nächsten Tag zu dir auf den Weg machen. Hat er eine Ahnung, wo du bist?«
»Glaube ich kaum. Ich habe ihm den Namen der winzigen Insel hier vor der Küste genannt. Es müsste schon ein sehr seltsamer Zufall sein, wenn er erraten kann, in welchem Land sie sich befindet.«
»Da sei mal nicht so sicher, Ana. Also, sein Handy versuchen sie nun gleichfalls zu orten, aber der gute Mann hat es ebenfalls ausgeknipst! Ich würde mal sagen, er ist auf dem Weg zu euch.«
»Da kann er lange suchen.«
»Ich weiß nicht, Ana, ich weiß nicht! Das ist gutes Surf-Revier, wo ihr seid, und der Junge ist ein passionierter Sportler, hat Denise gesagt.«
Mist. Ja, mir fiel ein, er hatte einmal einsame Strände in der Bretagne erwähnt, die er für sich entdeckt hatte. Seine mangelnde Neugier, als ich die Ile de Sieck erwähnte, konnte darauf schließen lassen, dass er tatsächlich wusste, wo wir waren. Nun ja, das war jetzt nicht mehr zu ändern.
»O.k., weiter.«
»Tja, also Valerius fing an, sich um die Überbringerin der Fotos zu kümmern, und kam durch Cosy drauf, die eine Zeitschrift geschmackvoll auf ihrem Schreibtisch dekoriert hatte. Mit Denises Foto auf der Seite und
einem Bericht über die erfolgreiche Sängerin, die ein Lied des verstorbenen… du weißt schon. Er zog sehr hurtig die richtige Schlussfolgerung und rief Denise an. Sie hatte den Anrufbeantworter laufen. Dann kam er auf die glorreiche Idee, mit mir zu sprechen, und ich habe ihm nur angedeutet, du hättest dich
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