Der Lilienring
glücklich geworden.«
»Ja, das wäre sie sicher. Sie hat seine Prinzipien über den Haufen geworfen und ihn zu einem lebendigen Mann gemacht.«
»Annik wäre genauso mit Valerius Corvus glücklich geworden.«
»Ja, stimmt. Und sogar die Stiftsdame Anna hätte ihr Glück als Hrabanus’ Tochter gefunden.«
»Wirst du mit Valerius leben können, Anahita?«
»Wird er es wollen, Rose?«
»Wenn die Geschichte sich wiederholt...«
»Weißt du eigentlich, was du willst, meine Schwester?«
»Das wird sich zeigen, wenn ich ihn wieder sehe. Es ist ja zwischen Falko und mir nicht so weit gediehen wie bei dir und Valerius. Aber wenn sich die Geschichte wiederholt...«
»Ja, wenn...«
Langsam öffnete ich die Augen und sah in den Himmel. Vögel zogen ihre Schleifen und Bahnen über den Baumwipfeln, schwarze Zeichen, wie Hieroglyphen, am Himmel.
Ein Rabe flog von einem Baum auf und kreiste krächzend über uns. Ein feines, schwarzes Federchen taumelte im Luftzug herunter und blieb auf meiner Hand liegen. Ich sah ihm nach und entdeckte hoch am Himmel den Falken kreisen.
»Sie werden bald hier sein, Rose.«
»Ja, ich denke auch.«
»Lass uns nach Hause fahren, ich muss in Marie-Annas Tagebuch noch etwas ergänzen.«
»Dann komm.«
»Verrät mir hier mal einer, was los ist?«
»Cilly, später.«
35. Kapitel
Die Kreise der Planeten
Es wurde dunkel um Marie-Anna, doch Valerians Gesicht war das Letzte, was sie mit ihren schwindenden Sinnen wahrnehmen konnte. Dann begann sie ihre Wanderung durch die Unendlichkeit. Sie nahm sie ohne Angst auf, wissend, dass sie sie finden würde – die Unendlichkeit, hinter der sich ein ordnender Wille verbarg. Doch um ihm nahe zu kommen, musste sie die Welten der Materie durchqueren. Und so zog ihre Seele vorbei an dem Narbengesicht des Mondes, das mal hell und mal dunkel erschien, gerade wie das Licht der Sonne und der Schatten der Erde ihn berührten. Hier vergaß sie Ursula und ihre wankelmütige Zuneigung.
Dann kreuzte sie die Bahn der Venus, und das Bild von Rosemarie begann zu schwinden. Doch nicht ganz, denn die Wärme der Freundschaft hatte sich in ihre Gefühle eingenistet, und so behielt sie einen Hauch der Erinnerung. Der hurtige Merkur umtanzte die Sonne auf seiner engen Bahn, und hier schwand Julius aus ihrem Sinn. Graciella vergaß sie, als sie an der leuchtenden Sonne vorbeizog. Doch auch hier blieb ihr ein Fünkchen der Erinnerung erhalten.
Weit hinaus zog sie, um an dem roten Mars vorüberzuwandern. Markus Gesicht verblasste, als sie ihn hinter sich gelassen hatte. Doch dann traf sie den mächtigen Jupiter, umkreist von seinen Monden. Voll Staunen bewunderte sie die Farbenpracht seiner aufgewühlten Atmosphäre, und als sie sich endlich losreißen konnte, beschloss sie, sich an Valerian für immer zu erinnern,
denn die Liebe zu ihm war so tief in ihr Herz eingedrungen, dass sie unmöglich dem Vergessen anheim fallen konnte.
Bei dem beringten Saturn weit draußen erinnerte sie sich für eine Weile an Faucon, doch mehr als das, was sie nun für sich behalten wollte, konnte sie auf ihrer weiteren Wanderung nicht mittragen. Sein Bild verlöschte, als sie sich Uranus näherte und ihn hinter sich ließ, um in die Abgründe des Alls zu entfliehen.
Sie wanderte lange, und es lösten sich Wehmut, Schmerzen und Trauer auf. Doch das tiefste Gefühl, das sie empfunden hatte, blieb bei ihr, und die Liebe wuchs zu einer gewaltigen, drängenden Kraft an: der Sehnsucht.
Sie wurde mächtiger und mächtiger, wurde angezogen von jenem leuchtenden Stern, um den die Planeten tanzten. Als die Ströme der Zeit sich so ordneten, dass die Gegebenheiten günstig waren, da wurde im Jahre 1972 dem Star des Schlagerhimmels, Caesar King, eine Tochter geboren.
36. Kapitel
Mehr als das Leben
Ich legte zufrieden den Stift nieder.
»So, nun hat auch diese Geschichte ihren Abschluss.«
»Diese ja, unsere noch nicht.«
»Nein, Rose, unsere noch nicht.«
Ich nahm mir Cillys Handy und schaute nach, ob es Nachrichten für uns gab. Und wirklich, Jan hatte vor nicht mal einer halben Stunde auf die Mailbox gesprochen. Ich möge ihn dringend zurückrufen.
Ich tat es, und er meldete sich erfreut.
»Hi, Ana. Schön, dass du dich so schnell meldest. Ich
ruf dich im Haus an, o.k.?« »Du vertelefonierst ein Vermögen.«
Aber er legte einfach auf, und das Telefon im Ferienhaus klingelte kurz darauf.
»Kannst ja meine nächste Telefonrechnung übernehmen. Also, pass auf.«
Während Musette, die
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