Der Lilith Code - Thriller
cyberspace.
Aus: »State Mission« der US-Air Force
Das kleine Büro neben dem Tower der amerikanischen Airbase im türkischen Adana ist unscheinbar. Die CIA-Einheit, die hier untergebracht war, hatte an diesem Morgen eine kleine Besatzung. Bruce Singhamer, der wachhabende Offizier, schlürfte seinen Kaffee aus einem Becher mit der Aufschrift »Failure is not an option«. Seine Tochter hatte ihm den Becher aus dem Kennedy Space Center als Andenken mitgebracht. Die Nachtschicht hatte ihm die gesammelten Funksprüche der NSA, die Satellitenfotos und alle Bewegungen an den Grenzen zu Syrien und zu Jordanien in das Eingangskörbchen gelegt. Er hatte den gesamten Vormittag Zeit, den Papierkram durchzulesen. Für Bruce Singhamer war der Nahe Osten an diesem Morgen völlig ruhig.
Tel Aviv, zur selben Zeit
Nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten und dem Tod des libyschen Revolutionsführers kurze Zeit später schien die Lage mittlerweile unkalkulierbar. Die westlichen Geheimdienste rechneten zumindest in einem weiteren Land mit einem Putsch – Syrien.
In Ägypten war auch tatsächlich aufgrund massiver Proteste der Bevölkerung eine Zwischenregierung an die Macht gekommen. Aber binnen weniger Monate war das Land quasi unregierbar. Alle wollten zu schnell zu viel. Die Parteien drängten nach der Macht. Die Menschen erwarteten die sofortige Verbesserung ihrer Lebensumstände. Das Gegenteil trat ein. Chaos war die Folge. Und so hatte ausgerechnet Tarek Said, ein junger Armeeoffizier, mit Hilfe des Militärs schnell und geräuschlos die Regierungsgewalt übernommen. Die alten Armeekader fürchteten um die eigenen Privilegien und hatten einstimmig diesen jungen Mann ausgewählt. Nicht ahnend, dass der schon längst seine Fühler über die Landesgrenzen ausgestreckt hatte. Im ahnungslosen Westen konnte wieder aufgeatmet werden. Ein ähnliches Bild gab es auch nach dem Sturz Gaddafis, des Irren von Tripolis. Das Land war in viele kleine Interessengruppen aus Ex-Funktionären, Militärs und Stämmen zerfallen, so dass das Land über Wochen im Bürgerkrieg versank. Sehr zum Leidwesen der Europäer, da diese Entwicklung einen exorbitanten Anstieg des Ölpreises und eine gigantische Flüchtlingsflut aus den Ländern Nordafrikas zur Folge hatte. Erst ein radikales Eingreifen einer Gruppe libyscher Armeeoffiziere stoppte den Aufruhr. Und auch dort wurde ein junger Führer an die Spitze gewählt. Ein ehemaliger Diplomat und Investmentbanker, Ibrahim El Assawi.
Wenige Wochen später starb der Führer des saudischen Königshauses Abdullah Al Saud. Statt einer Garde greiser Diktatoren stand bei der Trauerfeier in Riad in der ersten Reihe der Tribüne eine Gruppe junger Männer, die eher wieInvestmentbanker wirkten. Die jungen Präsidenten, Könige und Führer von Syrien, Jordanien, dem Libanon und Libyen, waren im Westen ausgebildet worden und konnten den über die Jahre gewachsenen Feindschaften, Abneigungen und Ressentiments ihrer Väter untereinander nichts abgewinnen. Nach dem Putsch in Tunesien, Libyen, Algerien, Jemen und Ägypten waren sie sich einig, dass sie so nicht würden weiterregieren können. Der Druck der Straße konnte sie mit Hilfe der neuen Medien wie Twitter und Facebook binnen Tagen hinwegfegen. Sie mussten, wollten sie die nächsten Jahre im wahrsten Sinne des Wortes überleben, mit einer völlig neuen Idee auftreten. Sie waren entschlossen. Sie hatten auch keine Wahl. Sie standen, ohne dass sie das offiziell zugegeben hätten, mit dem Rücken an der Wand. Gleichwohl wirkte dieses Bild für einige Experten wie ein Silberstreif am Horizont, als ob mit dieser neuen Generation neue Hoffnungen zu verbinden seien. Die weitgehend ignorante Haltung des Westens, speziell der USA und Israels, ließ diese Region jedoch rasch wieder in das ewige Muster aus Vorwürfen und Gegenvorwürfen, Angriff und Gegenangriff verfallen.
Der Nachrichtenoffizier Itzhak Goldstein schrieb ein Memo an den Sicherheitsberater der Regierung, Shlomo Finkelstein, in dem er auf die fortlaufenden Reiseaktivitäten des Syrers zwar hinwies, aber auch keine weiteren Schlüsse daraus ziehen wollte. Er beendete die Einschätzung mit einem beruhigenden Fazit: Syrien sei ruhig. Er verließ sich dabei auch auf seinen Bauch, und das war ausnahmsweise ein Fehler.
Damaskus, 12. 06., 5.12 Uhr
In der Psychotherapie geht es nicht um Schuld, sondern um ihre bewussten und unbewussten Folgen. Die höchstmögliche Leistung der Psychoanalyse ist, dem
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