Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
aber nicht ihn, sondern Michael tödlich verwunden. Sein nächstes Opfer würde Danni sein - und nun verstand sie auch, warum. Sie hielt das Buch noch immer fest umklammert. Cáthan würde sie einfach töten und es an sich nehmen.
Und dann würde alles wieder von vorn anfangen.
»Nein«, sagte sie mit seltsam fremd klingender Stimme in der unheimlichen, beklemmenden Stille, und deshalb wiederholte sie es noch einmal. »Nein!«
Es blieb keine Zeit mehr für Fragen - oder Zweifel. Danni riss den Segeltuchbezug von dem Buch von Fennore ab und hielt es jetzt in ihren bloßen Händen. Es zitterte und bebte vor Erregung, als sie sich bereitmachte, den Schritt in jenes kalte, schwarze Land zu tun, das Cáthan ihr beschrieben hatte, und sie sich wappnete gegen das, was kommen würde. Während sie die Augen schloss, sagte sie: »Das wird nicht noch einmal geschehen ...«
Bevor sie ihren Satz jedoch beenden konnte, stieß Rory einen Schrei aus, der wie eine Explosion durch das von Felsen eingeschlossene Gewölbe schallte. Danni zögerte, und blitzschnell war Cáthan bei ihr und griff nach dem Buch. Danni kämpfte darum, doch er war zu schnell und stark für sie. Während Sean zu ihr hinüberstürzte, um zu helfen, riss Cáthan es ihr mit einem triumphierenden Aufschrei aus der Hand. Er zögerte nicht, wie Danni es getan hatte. Nachdem er das schwere Buch in Sekundenschnelle auf einem der Felsbrocken abgelegt hatte, legte er seine linke Hand auf den Einband und schloss die Augen.
Das Vibrieren in der Luft nahm zu, bis es schien, als würden sie alle in tiefes, eisig kaltes Wasser gestürzt, das krachend gegen einen Steilhang schlug. Während sie voller Entsetzen zusahen, schien das Beben unter Cáthans Haut zu kriechen und sich dort fortzusetzen. Er sah aus wie eine in der gnadenlosen Wüstensonne schillernde Fata Morgana. Er schien gar nicht mehr wirklich hier zu sein, und dennoch konnten sie ihn unter dem intensiven Pulsierenden des Buches schwanken sehen.
Es war ein grauenhafter, aber auch so fesselnder Anblick, dass keiner von ihnen wegschauen konnte. Cáthan hatte eine Waffe in der Hand und richtete sie auf sie, bevor irgendjemand merkte, dass er sie mit seiner freien Hand gezogen hatte. Für Danni war es, als passierte alles gleichzeitig, aber irgendwie auch unerträglich langsam. Jeder Augenblick hinterließ einen Eindruck, bevor der nächste kam.
»Du wirst meine Frau nie haben«, sagte Cáthan zu Niall mit einem Ausdruck blanken Hasses in den beängstigenden, unheimlichen Augen und gab ohne jede Warnung einen Schuss ab.
Die Kugel schien so langsam durch die Höhle zu schwirren, dass Danni für einen kurzen Moment glaubte, sie vielleicht noch aufhalten zu können. Vielleicht war es ja noch nicht zu spät, ihr Schicksal zu verändern. Vielleicht hatte sie ja nicht versagt.
Als sie aber darauf zulief, um sie abzufangen, sah sie, wie Michael sich auf seinen Vater warf und ihn gerade noch zur Seite stoßen konnte, als die Kugel auch schon in die Brust des Jungen und in sein Herz einschlug.
Im selben Moment brüllte der erwachsene Sean auf vor Qual und Schmerz, und Dáirinn stieß einen Schrei aus, der schier endlos in dem Felsgewölbe widerhallte. Danni, die nicht wusste, ob sie zu dem Jungen oder dem Mann laufen sollte, zögerte, und Cáthans nächster Schuss traf sie in den Rücken. Die Kugel fühlte sich wie ein glühendes Eisen an, das in ihr Fleisch getrieben wurde. Sie fiel auf die Knie, dann sank sie auf dem Boden in sich zusammen.
Sofort verlor sie jegliches Gefühl in ihren Armen und Beinen und konnte sie nicht mehr bewegen. Es kostete sie ihre ganze Kraft, den Kopf zu wenden. Sean versuchte, zu ihr zu gelangen, doch er bewegte sich so unbeholfen wie ein Mann unter Wasser, und während sie wie gebannt zu ihm hinüberschaute, begann er zu verblassen.
»Ich liebe dich«, versuchte sie zu sagen, aber ihre Stimme war nur noch ein raues Wispern. Warum hatte sie es ihm nicht vorher schon gesagt? Warum hatte sie ihn fortgehen lassen, ohne diese einfachen drei Worte auszusprechen?
»Danni«, raunte er, als seine Gestalt sich schon veränderte. »Du kannst es aufhalten. Du brauchst das Buch nicht.«
Schwarzer Nebel begann, ihren Kopf auszufüllen, und Seans Worte wurden unklar und verzerrt. Was meinte er?
»Du kannst es ändern. Trevor lebt. Du hast bereits die Vergangenheit geändert. Du hast ihn gerettet.«
Es ergab keinen Sinn für sie. Was redete er da? Und dann erinnerte sie sich an den Moment, als sie
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