Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
hast?, besagte dieser Blick. Aber es lag auch eine Warnung, eine unüberhörbare Drohung in den Worten, die Danni wie Eis in ihrer Magengrube spürte.
Er bewegte sich zu ihrer Rechten, und sie wechselte die Haltung, um ihn im Auge zu behalten. Indem sie das Segeltuch als Schutz benutzte, umklammerte sie das Buch mit beiden Händen, wobei sie jedoch sorgfältig darauf bedacht war, das dünne Tuch nicht verrutschen zu lassen.
»Mein Vater konnte mich nicht ausstehen, wusstest du das?«, fragte Cáthan und verwirrte sie noch mehr mit dieser so gar nicht zu der Situation passenden Eröffnung. Stirnrunzelnd folgte sie ihm mit ihrem Blick, als er auf und ab und ging und das Buch umkreiste wie ein Löwe seine verwundete Beute. Der Angriff würde jeden Moment erfolgen, und sie musste darauf vorbereitet sein. Wenn sie zögerte, war sie verloren, daran hegte Danni nicht den kleinsten Zweifel.
»Ich weiß nicht, warum er mich hasste«, fuhr Cáthan fort, »denn ich gab mir wirklich alle Mühe, es ihm recht zu machen. Trotzdem sah er mich an, als wäre ich die Brut des Teufels. Mein eigener Vater.«
Danni drückte das Buch an sich und dachte an Colleen und das Baby, das sie aufgegeben hatte. Welche Ironie, dass Cáthans Vater gedacht hatte, es sei seine Frau gewesen, die ihn hintergangen hatte.
Das Glitzern in Cáthans Augen verstärkte sich. »Aber ich denke, du weißt, warum er meinen Anblick nicht ertragen konnte, nicht? Spricht das Buch zu dir und flüstert dir ins Ohr? Das tut es nämlich, doch in ein paar Minuten wirst du das ja selbst erfahren, nicht? Wenn du deine Hand darauflegst und von ihm deine intimsten Gedanken anrühren und deine dunkelsten Geheimnisse ergründen lässt. Es ist wie ein Geliebter ... wie ein grausamer, unberechenbarer Geliebter, der dich mit Geschenken überhäuft, während er dir mit einem glühenden Eisen sein Brandzeichen aufdrückt.«
Er spielte mit ihrem Verstand, das wusste Danni, und trotzdem konnte sie sich nicht dem Bild entziehen, das er ihr in den Kopf setzte.
»Oh ja, es ist eine sehr intime Erfahrung. Wie der Liebesakt, nur ohne Zuneigung und Zärtlichkeit. Irgendwie macht es das wohl mehr zu einer Vergewaltigung, nicht wahr? Doch es ist auch sehr beglückend, wenn du dich ihm unterwirfst.«
»Und du tust das?« In einem Anfall von Wagemut schob sie herausfordernd das Kinn vor und klammerte sich an dieser neu gefundenen Stärke fest. »Unterwirfst dich? Gehst du in die Knie und ergibst dich? Kein Wunder, dass dein Vater dich für schwach hielt!«
»Tapfere Worte, aber du hast es ja auch noch nicht selbst berührt, nicht wahr?«
Sie zuckte mit den Schultern, während sie ihn scharf beobachtete und sich fragte, ob das nicht ein kleiner Riss in seiner Haltung war, was sie da sah. In der Hoffnung, sich nicht geirrt zu haben, beharrte sie: »Vielleicht dachte er ja, du wärst der Sohn eines anderen. Vielleicht wünschte er es ja sogar.«
Cáthans Augen verengten sich. »Wer hat dir das gesagt?«
»Wenn er dich für unzulänglich hielt, würde er natürlich jemand anderem die Schuld an deinen Fehlern geben wollen. Jedenfalls ist es das, was alle denken. Die Leute reden darüber und über dich. Sie sagen, dass du dich für einen König hältst, aber nichts als ein kleiner Mann mit einem übersteigerten Selbstwertgefühl bist. Und dass Fia zu heiraten das einzig Intelligente war, was du je getan hast.«
Sein Selbstbewusstsein schien einen weiteren Riss zu bekommen, diesmal schon länger und noch deutlicher zu sehen. Dannis Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als ein warmes, beruhigendes, aber auch heißes und aufregendes Gefühl der Genugtuung sie erfasste. Das ist das Buch, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Es weidet sich an seiner Qual.
»Du lügst«, erwiderte Cáthan ruhig. Aber er klang schon nicht mehr ganz so selbstsicher wie zuvor, und Danni nutzte diese momentane Schwäche.
»Ich sage dir nur, was ich gehört habe. Die Leute finden es wirklich lustig, wie du herumstolzierst, als wärst du ein Mitglied der königlichen Familie. Dein Vater verdiente Achtung und Loyalität, aber du ... sie sagen, es ist eine Schande, dass du nicht mehr wie er bist.«
Eine wilde Freude durchströmte Danni, als sie zusah, wie ihre Worte ihn zunächst erbleichen ließen, bevor das Gefühl der Erniedrigung ihm die Schamesröte in die Wangen trieb. Obwohl sie das Buch noch nicht einmal berührt hatte, hatte es bereits Macht über sie gewonnen und beherrschte schon ihre Gedanken und
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