Der Lord ihres Herzens
so attraktiv, wie alle sagen?“
Jane gab sich unwissend und zuckte mit den Schultern, doch der Fremde auf dem Schimmel ging ihr nicht aus dem Kopf. „Er ist bestimmt attraktiver, als gut für ihn ist. Aber es würde mich sehr überraschen, wenn hinter seinen oberflächlichen Reizen irgendein Tiefgang steckt.“
Rosamund warf ihr einen Seitenblick zu. „Du solltest etwas mehr Respekt zeigen, Jane. Er ist jetzt Oberhaupt der Familie.“
„Nicht meiner Familie.“
Jane sah in den Spiegel auf ihrer Frisierkommode und rückte ihren zarten Kragen zurecht. Sie war immer noch rot im Gesicht. Es bestand kein Grund, sich in die Wangen zu kneifen, um ihnen etwas Röte zu verleihen.
Sie atmete tief durch und hakte sich bei Rosamund unter. „Also schön. Gehen wir.“
„Zum Teufel!“ Constantine Black stand eine ganze Weile unbeweglich da und wartete darauf, dass sich der Vorhang endlich wieder beiseiteschob. Sie würde doch bestimmt Erbarmen beweisen und sich ihm noch einmal zeigen.
Aber Frauen waren einfach gnadenlose Kreaturen, wie er schon so oft hatte feststellen müssen. Natürlich tauchte ihr Gesicht kein zweites Mal hinter dem Vorhang auf und natürlich war er trotzdem gezwungen, wie angewurzelt stehen zu bleiben und zu warten und immer nasser zu werden, für den Fall, dass sie es sich doch noch einmal anders überlegen sollte.
Sie war so strahlend. Nicht wie die Sonne, bei Weitem nicht, nein, denn sie hatte nichts Grelles oder Aufdringliches an sich. Sie wirkte nicht einmal sonderlich warm. Und dennoch ließ ihr Anblick ihn an einen zarten silbernen Strahl denken, wie er vom Mondlicht ausgeht.
Diese wunderbare Frau war groß und schlank und hatte einen großzügigen, hübschen Busen. Ihr Haar wirkte dunkel, aber aufgrund der Entfernung und der Dunkelheit vermochte er nicht zu sagen, welche Farbe genau es hatte. Sie hatte die Lippen verzogen und ihn angestarrt, als wäre er ein Wurm, der es nicht würdig war, ihr die Fußspitzen zu küssen.
Bei dem Gedanken, welche Stellen dieser geheimnisvollen Frauengestalt er gerade am liebsten küssen würde, überlief ihn ein heißer Schauer, der im Gegensatz zum kühlen Frühlingsregen stand.
Er stand immer noch völlig benommen da, als er hinter sich Hufgeklapper vernahm, das immer lauter wurde, bis das Pferd schließlich schlammspritzend hinter ihm zum Stehen kam.
Er wandte den Kopf und entdeckte seinen Bruder George. Sie waren querfeldein um die Wette geritten, doch Georges Pferd war an einer Steinmauer gestiegen, sodass George einen Umweg hatte nehmen müssen.
Constantine hob die Hand zum Gruß. „George, ich habe mich verliebt.“
„Ha!“ Sein Bruder beugte sich vor, um seinem Pferd den schweißglänzenden Hals zu klopfen. „Du würdest die Liebe doch nicht einmal erkennen, wenn sie an dir hochspringen und dich in den Hintern beißen würde.“
Constantine nickte nachdenklich. „Da könntest du recht haben. Gehen wir hinein und schauen, ob wir dieses wunderbare Geschöpf finden können.“
George schüttelte lachend den Kopf. Sie überließen ihre Pferde einem Stallburschen und wandten sich zum Haus.
Es war zu schade, dass sie die Beerdigung verpasst hatten. Sie waren Gast auf einer Hausgesellschaft in Northumberland gewesen und hatten die Nachricht von Fredericks Tod nicht mehr rechtzeitig erhalten. Constantine hatte erst bei seiner Rückkehr nach London davon erfahren. Er und George waren daraufhin sofort zu einem Gewaltritt aufgebrochen, doch als sie die Kirche erreicht hatten, war die Beerdigung schon vorüber und die Gesellschaft bereits auf dem Weg nach Lazenby.
Nach dem bitteren Streit und dem Abschied von Frederick vor all den Jahren, wäre er vielleicht nie zur Beerdigung erschienen - wäre da nicht dieser Brief gewesen. In dem Stapel Korrespondenz, der ihn in seiner Londoner Wohnung erwartet hatte, hatte er eine zwei Wochen alte Nachricht von Frederick gefunden, in der dieser ihn zu sich bat. Frederick hatte wohl gewusst, dass sein Ende nahte, und wollte sich mit seinem Erben beraten. Hatte er vielleicht sogar an eine Versöhnung gedacht?
Etwas in Constantines Magen rebellierte. Er würde nie erfahren, was Frederick wirklich von ihm gewollt hatte.
Als sie sich zu der Menschenmenge gesellten, die durch die weit geöffnete Haustür strömte, machte Constantine eine ernstere Miene. Er rief sich in Erinnerung, warum er gekommen war, auch wenn er jetzt liebend gern an fast jedem anderen Ort dieser Erde wäre.
Gegen jede Erwartung hatte er
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