Der Lord ihres Herzens
hatte, war außer dem Duke of Montford niemand anwesend. Wo waren die anderen?
Der Duke erhob sich von dem Schreibtisch am Fenster und ging durch den Raum auf sie zu, um sie zu begrüßen.
„Lady Roxdale.“ Der Herzog verbeugte sich, während Jane in einem tiefen Knicks versank.
Obwohl er von ihrem achten Lebensjahr an bis zu ihrer Eheschließung ihr Vormund gewesen war, sprach Montford Jane immer so förmlich an. Wollte er sich von ihr distanzieren? Oder wollte er nur seinen Erfolg und ihren Titel wie guten Wein genießen? Schließlich hatte es der Duke mit seinem taktischen Geschick geschafft, Roxdales Stellung und Reichtum in seinen Einflussbereich zu ziehen.
Durch Fredericks plötzlichen Tod aber hatte Montford all diese Reichtümer verloren. Die Ländereien, der Stammbaum, der politische Einfluss - all das würde nun auf Constantine Black übergehen, den Erben, der nicht der Sohn seiner Ziehtochter war.
Empfand Montford dies als so demütigend, wie sie vermutete? Niemand sah ihm jemals an, was wirklich in ihm vorging.
Der Duke konnte ebenso gut vierzig wie fünfzig Jahre alt sein. Er kleidete sich streng und nüchtern wie ein Pfarrer, doch die Autorität, die ihn umgab, und seine aristokratischen Gesichtszüge verrieten seine wahre Stellung besser, als es jede Äußerlichkeit vermocht hätte. Seine dunklen Augen funkelten vor Intelligenz.
„Erlauben Sie mir, Ihnen mein Beileid auszusprechen, meine Liebe“, sagte Montfort. „Roxdales Tod war für uns alle ein Schock. Er war ein guter Mensch.“ Er hielt kurz inne. „Wie geht es Ihnen?“
„Ganz gut, vielen Dank, Euer Gnaden“, erwiderte Jane. Sie wusste, dass er nicht im Geringsten an ihrer Gesundheit oder an ihren Gefühlen interessiert war. Was in ihr vorging, kümmerte ihn nicht.
Sie konnte sich die Spitze nicht verkneifen: „Fredericks Tod war allerdings kein so großer Schock. Er hatte ein schwaches Herz. Es hätte jederzeit geschehen können.“
Montford neigte den Kopf. „Ja, natürlich. Trotzdem ist man am Ende immer überrascht. Sie halten sich gut.“
Der Duke betrachtete sie genau. Als Kind war sie davon überzeugt gewesen, dass er ihre Gedanken lesen konnte. Als Erwachsene aber war ihr klar geworden, dass diese Begabung nichts Magisches an sich hatte. Er war einfach nur gut darin, die Mimik anderer Leute zu deuten, ihre verräterischen Gesten zu lesen und zu verstehen, was sie trotz vieler Worte unausgesprochen ließen. Jane bemühte sich, ihm gegenüber möglichst gleichgültig zu wirken und ihre Bemerkungen auf ein Minimum zu beschränken. Sollte er daraus schließen, was er wollte.
„Was wollen Sie jetzt tun, Lady Roxdale?“, erkundigte sich der Duke of Montford. Er tat, als würde er ihr in dieser Angelegenheit eine Wahl lassen.
„Ich werde noch eine Weile hierbleiben und dafür sorgen, dass die Übergabe des Haushalts möglichst reibungslos vonstattengeht. Dann würde ich gern nach Harcourt zurückkehren. Natürlich nur, wenn es Ihnen recht ist“, fügte sie hinzu.
Der Duke nickte. Allerdings hatte er ganz offensichtlich nicht vor, diese Angelegenheit widerspruchslos hinzunehmen. „Über die Zukunft sprechen wir später. Zuerst sollten wir die Testamentseröffnung hinter uns bringen.“
Montford griff mit seinen langen Fingern in die Westentasche und zog eine kostbare goldene Uhr hervor. Mit verärgertem Blick ließ er den Deckel aufschnappen. „Fredericks Anwalt sollte inzwischen hier sein.“
„Bestimmt steckt er in dem Gewühl draußen fest“, warf Rosamund ein. „Fredericks Familie ist auch noch nicht vollständig.“ „Und sein Erbe fehlt bemerkenswerter Weise auch“, kommentierte Jane trocken.
Sie blinzelte. Gerade war ihr der Gedanke gekommen, der Mann auf dem großen weißen Pferd könnte ein anderer sein als Constantine Black!
Vor Erleichterung wurde ihr ganz schwindelig. Ach, wie dumm sie doch war, derart voreilige Schlüsse zu ziehen! Der kühne, auffällige Reiter konnte jeder andere Verwandte sein. Manchmal war ihre Fantasie derart lebhaft, dass sie mit ihr durchging.
Auf dem Korridor waren Stimmen und Schritte zu hören. „Jane! Hier bist du also!“
Cecily kam hereingestürzt und nahm Jane derart stürmisch in die Arme, dass dieser die Luft wegblieb. „Ich habe Beckenham gesagt, dass du herunterkommen würdest, aber er hat gemeint, das würdest du nicht, weil du vermutlich furchtbar unglücklich bist und uns nicht sehen willst. Ich habe gesagt, so ein Unsinn, dir war Frederick doch völlig
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