Der magische Reiter reiter1
durcheinander?
»Du solltest besser hingehen«, sagte Lady Estora. »Es ist nicht gut, einen König warten zu lassen.«
Karigan lächelte schwach und verabschiedete sich von Lady Estora. Sie begab sich zwischen Sträuchern und Blumenbeeten hindurch auf dem Kiespfad zu ihm. Als sie näher kam, verstellte ihr eine Waffe den Weg.
»Schon in Ordnung, Wilton«, sagte der König. »Das ist Karigan G’ladheon.«
Die Waffe strahlte über das ganze Gesicht und verbeugte sich. »Normalerweise bewache ich die Gräber«, sagte er, »doch wegen der jüngsten Ereignisse tue ich jetzt hier Dienst. Da unten spricht man viel über deine Taten.«
Karigan errötete. Noch bevor sie etwas erwidern konnte, hatte Wilton sich schon in diskrete Entfernung zurückgezogen und sie und den König sich selbst überlassen. Sie starrten sich verlegen an. König Zacharias schien wohlauf zu sein, wirkte jedoch um Jahre gealtert. Neue Falten hatten sich auf seiner Stirn gebildet, und er hatte dunkle Ränder unter den Augen. Die Anspannung durch den Verrat und den Tod seines Bruders musste unvorstellbar gewesen sein. Der Verrat derer, die er für loyal gehalten hatte, und der Tod derer, die loyal geblieben waren, lastete zweifellos schwer auf seinen Schultern.
Schließlich sagte er: »Begleitest du mich auf einen Spaziergang? « Karigan schloss auf dem Kiesweg zu ihm auf. »Ich bin gerade hinausgegangen, um ein wenig frische Luft zu schnappen«, sagte er. »Sieht so aus, als hätte endlich der Sommer Einzug gehalten.«
»Ja«, sagte Karigan.
Wieder senkte sich Schweigen herab.
»Ich …«, begann er.
»Wir …«, sagte sie.
Sie blieben stehen und blickten einander an.
»Karigan«, sagte er, »ich habe noch immer keinen vollständigen Bericht darüber gehört, was sich in jener Nacht im Thronsaal zugetragen hat. Ich war ein wenig benommen, weißt du, als du den Bann gebrochen hast, der meinen Bruder an den Eleter fesselte. Anscheinend wurdet ihr – du und mein Bruder – daraufhin unsichtbar. Laren – Hauptmann Mebstone – scheint zu glauben, dass es nicht die Macht deiner Brosche war. Wohin seid ihr verschwunden? Was ist geschehen? «
Karigan spürte, wie die Kraft sie verließ. Sie kehrte nicht gern zu dieser Nacht zurück, denn sie suchte sie in ihren Träumen heim und verfolgte sie sogar im Wachen. Im Laufe der letzten Wochen hatte sie zu viel Muße gehabt, darüber nachzugrübeln, was hätte sein können. Vielleicht hatte sie ja die falsche Entscheidung getroffen? Hätte sie die Herausforderung des Eleters, mit ihr Intrige zu spielen, annehmen sollen? Was, wenn sie verloren hätte? Das wilde Durcheinander der Möglichkeiten erschöpfte sie.
Sie wollte sich abwenden, doch der König ergriff sie am Arm. »Bitte«, sagte er.
Sie nickte. »Es kommt mir noch immer seltsam vor.«
Und dort im Hof, zwischen duftenden Blumen, summenden Bienen und zwitschernden Vögeln, erzählte sie König Zacharias von ihren Erlebnissen in der weißen Leere, in der sie gefangen gewesen war. Je länger sie sprach, desto größere Augen machte er. Ihr wurde leichter ums Herz, während die
Worte nur so hervorsprudelten. Beim Erzählen wurde ihr klar, dass sie die einzige Entscheidung getroffen hatte, die ihr überhaupt möglich gewesen war, und dass keine der Alternativen jemals einen Sinn ergeben hätte. Und während sie ihre Erlebnisse dem König anvertraute, begriff sie, dass sie die Last dieser Entscheidungen nicht allein zu tragen brauchte.
»Ich habe gehört«, sagte er, als sie fertig war, »dass die Welt viele Ebenen besitzt. Das Reich der Götter ist die eine Ebene. Die Welt des Nachlebens ist eine andere. Ich habe auch gehört, dass man, wenn man Magie benutzt, in eine weitere Ebene eintritt. Vielleicht geschah genau das.«
»Ich weiß nicht«, sagte Karigan. »Agemon nannte es einen Ort des Übergangs.«
Der König rückte die Schlinge an seiner Schulter zurecht. »Karigan, du hast mich wieder und wieder in Erstaunen versetzt. Für all das, was du für mich getan hast, bin ich dir dankbarer als du ahnst. Ohne dich hätte mein Bruder alles übernommen und Sacoridien vernichtet.«
»Jendara«, sagte Karigan, »hat Euren Bruder aufgehalten. «
»Sie hat meinen Bruder getötet, doch du hast ihn und den Eleter aufgehalten. Ich weiß, dass es eine gewisse Verbundenheit zwischen Jendara und dir gab, doch vergiss niemals, dass sie für sich zuletzt den barmherzigsten Ausweg fand. Die Rechtsprechung der Waffen ist uralt und hart. Trotz ihrer
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