Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
Vom Netzwerk:
sein würde, erhielt er als Antwort nur einen verwirrten Blick, als könnte der Mann nicht verstehen, was für eine Bedeutung das haben sollte. So nahm Philipp ein Bad, zog die saubere Tunika an, die er aus Pella mitgebracht hatte, und ging zu dem Festmahl.
    Niemand empfing ihn. Kaum hatte er den Saal betreten und sich umgesehen, wußte er bereits, daß seine Mission zum Scheitern verurteilt war. Es waren etwa einhundertfünfzig Männer anwesend; Philipp hatte keine Ahnung, wer von ihnen Derdas sein mochte, und dem Trubel nach zu urteilen, tranken alle bereits seit mehr als drei Stunden. Einige der Feiernden waren blutverschmiert, also waren sie offensichtlich am Nachmittag auf der Jagd gewesen und hatten sich nicht die Mühe gemacht,sich umzuziehen. Die Diener huschten umher wie Ratten und verschwanden wieder, so schnell sie konnten, um nicht mit Wein und Essen bespritzt zu werden. Sogar im Vergleich mit dem Hof seines Vaters waren das hier unschickliche Zustände.
    Als Philipp sich etwas genauer umsah, bemerkte er, daß alle anwesenden Männer etwa in seinem Alter waren. Kein einziger grauer Bart war unter all diesen Jünglingen zu sehen. Derdas, das wußte er, war gerade zwanzig, und es sah so aus, als umgäbe er sich nur mit seinen eigenen Freunden und hätte die Berater seines Vaters verstoßen. Obwohl selbst noch sehr jung, wußte Philipp, daß das schlecht war, schlecht für seine Mission und vielleicht noch schlechter für Elimeia, denn die Freunde eines Mannes, vor allem wenn sie jung sind, sagen ihm nur, was er hören will. Ein König aber muß, wenn er erfolgreich sein will, auch in der Lage sein, unangenehme Wahrheiten zu ertragen.
    An einem Tisch nahe bei der Tür saß einer der elimiotischen Edelleute, einer der auserwählten Gefährten des Königs, und malte, den Kopf in die Hand gestützt, Figuren in eine Weinlache. Er war so vertieft in diese Beschäftigung, daß Philipp ihn am Kragen packen und schütteln mußte, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.
    »Welches von diesen Schweinen ist Derdas?« fragte er mit einem gutmütigen Grinsen.
    Der Mann, der offensichtlich gar nicht auf den Gedanken kam, das als Beleidigung zu nehmen, kratzte sich am Kopf und runzelte die Stirn, als würde ihn die Frage sehr verwirren.
    »Der da drüben«, sagte er schließlich und deutete auf einen Tisch weiter in der Mitte des Saals. »Der mit dem lockigen Bart ist der König.«
    Philipp sah in die angedeutete Richtung und wußte sofort, wer gemeint war. Derdas war ein großer, gutaussehender junger Mann mit lockigen, glänzend schwarzen H aaren und einem ebensolchen Bart. Dem Aussehen nach besaß er alle Eigenschaften eines großen Königs bis auf die Intelligenz, und der etwas leere Blick in seinen Augen deutete wohl weniger auf eine geistige oder körperliche Unzulänglichkeit hin als vielmehr auf die Menge des bereits genossenen Weins. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung, dachte Philipp.
    Drei ziemlich elegante Jünglinge saßen am Tisch des Königs. Der rechts von ihm sah aus, als würde er gleich unter den Tisch fallen, so klammerte er sich an der Platte fest. Philipp war der Ansicht, daß einer, der so betrunken war, es auf dem Boden bequemer hätte, und gab ihm deshalb einen kleinen Schubs, um ihm nachzuhelfen. Dann setzte er sich auf dessen Platz, kostete seinen Wein, stellte aber, nachdem er zu dem Schluß gekommen war, daß der Kellermeister des Königs seinen Herrn betrog, die Trinkschale wieder ab und legte Derdas die Hand auf die Schulter.
    »Mein König, du und ich, wir haben etwas zu besprechen.«
    Derdas hätte kein verdutzteres Gesicht machen können, wenn er sich umgedreht und ein Messer an seiner Kehle gesehen hätte. »Was ist denn mit Dipsaleos passiert?« murmelte er schließlich, mit einer Stimme, die vom vielen Reden heiser geworden war. »Der hat doch gerade noch hier gesessen. Und wer bist du?«
    »Ich bin ein Bote, mein König. Und meine Botschaft lautet, daß du deiner Unbesonnenheit Zügel anlegen sollst, denn du hast dich gegen König Perdikkas vergangen und seinen Zorn herausgefordert.«
    »Wenn ich auch nur ein Wort von dem verstehe, was du da redest, mein Freund, dann bin ich eine Runkelrübe.« Er wandte sich dem Mann zu, der links von ihm saß, und lachte unmäßig. »Hast du das gehört, Antinous? Ich bin eine Runkelrübe!«
    Dieser Witz erntete allgemeines Gelächter – zumindestvon jenen Gefährten des Königs, die noch nüchtern genug waren, um zu wissen, was von ihnen erwartet

Weitere Kostenlose Bücher