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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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sich bereits zum Gehen gewandt, als er sie zurückrief.
    »Prinzessin…«
    »Ja, Herr?«
    Als er nun ihr Gesicht sah, empfand er das zärtlichste Mitleid für sie, denn sie sah aus, als erwartete sie den nächsten Schlag.
    »Sag, Prinzessin, wie ist dein Name?«
    »Mein Name…?« In ihrer Stimme lag echte Überraschung, als könnte sie sich nicht vorstellen, warum er ihn wissen wollte.
    »Mein Name ist Phila, mein Prinz.«
    Dann verschwand sie geräuschlos im Schatten, und er versuchte nicht mehr, sie zurückzuhalten, obwohl ihre Abwesenheit die Nacht noch dunkler machte.
    Phila hatte sich geirrt. Als Philipp am nächsten Morgen V0 r den König geführt wurde, war er nicht allein.
    Derdas war in seinen Stallungen, und während die Knechte alles für einen weiteren Jagdausflug vorbereiteten, teilte er mit den drei Gefährten, die auch am Abend mit ihm zu Tisch gesessen hatten, ein Frühstück aus Brot, Ziegenkäse und Wein, das auf einem kleinen Tischchen in der Nähe der Tür für sie angerichtet worden war. Er war zwar nüchtern, aber sein Blick war ebenso bar aller Intelligenz wie am Abend zuvor. Er begrüßte Philipp wie einen alten Kameraden.
    »Ah, mein Prinz, komm doch zu uns. Haben sie dir schon zu futtern gegeben?«
    »Vielen Dank, ja, ich habe bereits gegessen«, erwiderte Philipp und sah sich leicht angewidert um. Normalerweise hätte er es als Beleidigung aufgefaßt, von einem fremden König in einem Raum empfangen zu werden, der nach Pferdemist und Heu roch, aber er hatte den Eindruck, daß Derdas es nicht besser wußte.
    »Dann komm mit uns jagen, die Eber in den Wäldern ein paar Stunden nördlich von hier sind so groß wie Zugochsen!«
    »Und wenn wir keinen Eber finden«, ergänzte einer der anderen, »kennt der König da oben eine Holzfällerhütte mit fünf Töchtern darin. Stell dir vor. Fünf Töchter! Genug für uns alle!«
    »Mein König, gewähre mir ein Wort unter vier Augen«, sagte Philipp, nachdem das Gelächter verklungen war. »Ich habe die Reise hierher unternommen, um Angelegenheiten zu besprechen, die dir wichtiger sein sollten als die Jagd.«
    »Ach, ich vertraue meinen Freunden«, erwiderte der König und legte einem von ihnen den Arm um die Schultern. »Sprich, mein Prinz, denn du hast meine ungeteilte Aufmerksamkeit.«
    Einen Augenblick lang herrschte Stille.
    »Mein König…« Philipp hielt inne, bis von seinem Zorn nur noch Verachtung übrig war. »Mein König, deine Soldaten überfallen Dörfer außerhalb deiner Grenzen. König Perdikkas ist in ernster Sorge um das Leben und die Sicherheit seiner Untertanen und verlangt von dir…«
    »Verlangt?« unterbrach ihn der Mann, auf dessen Schultern der Arm des Königs ruhte. »Wer wagt es, von Derdas, dem König der Elimioten, etwas zu verlangen? In Pella darfst du vielleicht in einer solchen Sprache mit einem König reden, aber hier sind deine Worte nur…«
    Er wollte eben verächtlich abwinken, als Philipp ihn am Handgelenk packte und so fest zudrückte, daß der Freund des Königs die Zähne zusammenbeißen mußte, um nicht laut aufzuschreien.
    »Wagt? Wer wagt?« Philipp ließ den Mann los und stieß ihn dabei so heftig zurück, daß er stolperte und auf einen Stapel Pferdedecken fiel. »Perdikkas, sein König wagt es. Du hast vielleicht schon von ihm gehört. Er ist der Perdikkas, der Herr von ganz Makedonien ist und dessen Großvaters Großvater den ersten Derdas auf diesen Thron gesetzt hat – dieser Perdikkas. Oder haben die Elimioten vielleicht vergessen, daß sie Makedonier sind?«
    Es war eine häßliche Situation. Einer der Männer hatte bereits die Hand am Griff seines Schwerts. Es hätte wer weiß wie enden können, hätte nicht Derdas, der, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, nicht die geringste Ahnung hatte, was die ganze Aufregung eigentlich sollte, plötzlich zu lachen angefangen.
    »Geschieht dir recht, Antinous«, rief er, als hätte er den Witz eben erst verstanden. »Meine Schwester hat mich gewarnt, daß wir den Prinzen Philipp mit Respekt behandeln sollen. Hahaha!«
    Und dann nahm er, als hätte er die Anwesenheit der anderen vollkommen vergessen, ein Stück Brot, tauchte es in einen Becher Wein und kaute den feuchten Klumpen nachdenklich wie eine Kuh, die wiederkäut.
    »Aber er hat nicht ganz unrecht«, sagte er nach einer Weile und sah Philipp an. »Pella ist weit weg, und die Makedonier haben viele Könige. Perdikkas ist nur einer von ihnen. Außerdem habe ich von Überfällen nichts

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