Der Makedonier
einmal die Makedonier brachten es übers Herz, ihren Sieg zu bejubeln. Schweigend sahen sie zu, wie ihre Gegner einer nach dem anderen zum Zeichen der Unterwerfung das Schwert fallen ließen.
Ein Mann von etwa dreißig Jahren ritt auf die Reihen der makedonischen Reiter zu. Offensichtlich wollte er verhandeln.
Philipp gab seinem Nebenmann seine Lanze. Es war an der Zeit, wieder Feldherr zu sein.
»Wer ist euer Anführer?« rief der elimiotische Reiter. Er schien überrascht, als die Antwort aus den Reihen der Fußsoldaten kam.
»Ich bin Philipp, Prinz von Makedonien«, sagte Philipp mit kaum erhobener Stimme. »Sag, was du zu sagen hast.«
Der Mann ritt zu Philipp. Man sah ihm an, daß ihm die Sache höchst unangenehm war.
»Was können wir erwarten, wenn wir dir die Tore der Stadt öffnen?« fragte er. Philipp bedachte ihn mit einem wölfischen Lächeln.
»Frag lieber, was euch erwartet, wenn ihr es nicht tut.«
27
WlR HABEN UNGEFÄHR zwanzig getötet und fünfzig weitere gefangengenommen«, berichtete der Reiterhauptmann. Er war in Philipps Alter und hieß Korous. Die beiden kannten sich schon ihr ganzes Leben. »Aber die meisten sind entkommen.«
»Habt ihr Derdas gefangen?« Es war die einzig wichtige Frage.
»Nein. Wir haben einen Gefangenen, der sich auf dem Rückweg alle Getöteten genau angesehen hat. Derdas war nicht darunter.«
Er senkte leicht den Kopf, wie ein Kind, das Strafe erwartet, weil es ein Spielzeug verloren hat. Man merkte ihm an, daß er glaubte, bei Philipp in Ungnade gefallen zu sein.
Korous war groß, blond und gutaussehend, und er erinnerte Philipp immer an seinen Bruder Alexandros, sowohl im Temperament wie im Aussehen. Es wäre ein Fehler, einen solchen Mann zu erniedrigen.
»Wenigstens muß ich jetzt nicht entscheiden, was mit ihm geschehen soll«, sagte Philipp und grinste, als wäre er eben selbst entkommen. »Sag deinen Männern, daß sie heute sehr gut gekämpft haben. Sie haben uns gerettet.«
Und dann fing er aus lauter Freude an zu lachen.
»Wir haben heute einen großen Sieg errungen, Korous, wie damals als Knaben.«
Jetzt konnten sie beide lachen. Sie waren die Eroberer, die vom Gipfel ihres jungen Lebens herabsahen, und Derdas war vergessen.
Eine halbe Stunde später, am Nachmittag eines Tages, der bereits ein halbes Jahrhundert zu dauern schien, bestieg Philipp, wie versprochen, Alastor, um in die eingenommene Stadt Aiane einzureiten. Vor ihm stand in Reih und Glied seine Armee, und auf dem Boden saßen, in erschöpfter Haltung, die etwa tausend Elimioten, die sich mit der Unterwerfung ihr Leben erkauft hatten. Sie warteten alle darauf, daß Philipp sprach, denn jetzt war seine Stimme die einzige, die zählte.
»Diese Stadt und alle, die in ihr leben, stehen jetzt unter dem Schutz von Perdikkas, dem König aller Makedonier, zu denen auch die Elimioten gehören. Es wird keine Plünderungen geben und auch keine Vergeltungsmaßnahmen. Wir sind alle wieder Landsleute, und wir sind alle Brüder. Diejenigen, die heute gefallen sind, liegen jetzt nebeneinander auf diesem Schlachtfeld, geläutert von jeder Feindseligkeit – und so soll es auch bei uns sein.
Derdas ist verschwunden; er hat die Flucht ergriffen, als das Schlachtenglück sich gegen ihn wendete. Er wird nicht zurückkehren. Sein Vorfahre wurde von König Alexandros von Makedonien auf diesen Thron gesetzt, und jetzt hat ein Nachfahre dieses Königs ihn wieder von dort vertrieben. Er hat sein Recht zu herrschen und seinen Anspruch auf eure Treue verwirkt, aber euch Männern von Elimeia sage ich, daß sein Sturz nicht auch der eure ist. Alle, die König Perdikkas und seinen rechtmäßigen Nachfolgern Treue und Gefolgschaft schwören, werden ihren Titel und ihren Besitz behalten. Alle, die es nicht tun, zählen zu seinen Feinden. Jeder Mann hat das Recht, für sich zu entscheiden.
Und meinen Soldaten, die sich vielleicht um ihr Recht auf Plünderung betrogen fühlen, erkläre ich, daß ein Drittel von Derdas’ Königsschatz ohne Ansehen des Rangs unter ihnen aufgeteilt wird, denn Offiziere und einfache Soldaten hatten gleichen Anteil an diesem Unternehmen, und so wollen wir es auch mit der Beute halten. Aber bis dies geschehen ist, werden die Schankwirte von Aiane uns vielleicht Kredit gewähren.«
Jubelgeschrei erhob sich unter den Makedoniern, denn sie wußten, daß dieses eine Drittel eigentlich dem siegreichen Feldherrn zustand. Sogar einige der Elimioten jubelten, aber vielleicht aus
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