Der Makedonier
lieber von einem König ihrer Wahl regiert als von Fremden beherrscht werden. Was mich angeht, so muß ich noch eine ganze Weile hierbleiben. Der Neuaufbau und die Ausbildung der elimiotischen Einheiten ist eine zeitraubende Angelegenheit. Vielleicht können wir im Spätsommer einige Kompanien tauschen, zum Beispiel mit einer der Garnisonen an der Ostgrenze…« Philipp schien die Angelegenheit von einem rein praktischen Standpunkt aus zu betrachten und vermittelte dabei den Eindruck, als wäre es ihm völlig gleichgültig, ob er König wurde oder nicht. Dabei konnte es ihm unmöglich gleichgültig sein. Was hatte er nur im Sinn?
Philipp war mit einer Armee von tausend Mann, vorwiegend Fußsoldaten, aufgebrochen, und jetzt sah es so aus, als habe er, wie eine Kupfermünze, die man auf der Straße findet, dreihundert zusätzliche Reiter aufgelesen. Darüber hinaus war sein Ruf als Feldherr begründet; jeder sprach nur von der Eroberung Elimeias, so daß Perdikkas die Loblieder auf seinen Bruder schon bald nicht mehr hören konnte. Und jetzt wollte er sich auch noch zum König machen lassen. Natürlich wollte er es. Warum sollte er es nicht wollen?
Perdikkas, der sich erst vor kurzem aus dem Schatten des einen Bruders gelöst hatte, merkte nun, daß er auch in dem anderen einen Rivalen hatte. Philipp schuf sich eine Armee. Und was hatte er letztendlich mit ihr vor?
»Wenn nicht jemand, ob nun ich oder ein anderer, diese Gegend scharf überwacht, dann müssen wir uns auf eine Katastrophe gefaßt machen. Die Edelleute begegnen einander mit Eifersucht und Angst. Wenn wir sie sich selbst überlassen, wie lange wird es dann dauern, bis sie den Schutz fremder Bündnisse suchen? Entweder wir habenElimeia fest in der Hand und regieren es von innen heraus, oder es wird uns wieder entgleiten.«
Nun, da hatte Philipp recht. Die Elimioten brauchten einen König, und dieser König mußte Makedonien verpflichtet sein.
Aber nicht Philipp!
Aber wenn nicht Philipp, wer dann?
Ein König, so heißt es, darf niemandem trauen. Wen konnte er nach Aiane schicken, der sich nicht gleich einbilden würde, ein unabhängiger Herrscher zu sein? Niemanden, wirklich niemanden.
Bis auf Philipp. Denn tief in seiner Seele wußte Perdikkas, daß Philipp ihn nie verraten würde. Mit Philipp auf dem Thron der Elimioten waren seine Westgrenzen sicher.
Und es hatte ja auch etwas für sich, wenn Philipp weit weg in Aiane sich mit den Streitereien dieser Bergwilden herumschlug und nicht hier in Pella seinen Ruhm als Eroberer genoß. Welche Ehrungen würden ihn hier erwarten! Perdikkas würde ihn mit Ruhm überhäufen müssen, denn sonst würde die Welt ihn für undankbar halten und ihn vielleicht sogar der Eifersucht bezichtigen. Es wäre unerträglich, ihn hier in Pella zu haben.
Ja, soll er doch der König dieses kleinen, steinigen Reichs sein – besser dort als hier. Perdikkas beschloß, sofort einen Antwortbrief zu schreiben und Philipp die Erlaubnis zu geben.
Nach der Flucht ihres Bruders lebte Phila weiter in seinem Palast, und da keiner sie davon abhielt, führte sie auch den Haushalt weiter, wie sie es seit den Zeiten ihres Vaters tat. Philipp benutzte den Palast als sein Hauptquartier, aber er wohnte nicht dort, denn er zog es vor, in einem Zelt in dem Feldlager zu schlafen, das seinen Soldaten als Unterkunft diente, solange die Erweiterung derköniglichen Kasernen noch nicht abgeschlossen war. Nach Abschluß der Arbeiten, das vermutete sie, würde er dort schlafen.
So sah sie ihn nur selten, und wenn, dann nur kurz im Vorübergehen. Man hätte fast den Eindruck bekommen können, er gehe ihr aus dem Weg.
Um so erstaunter war sie deshalb, als sie eines Morgens die Einladung erhielt – eine Einladung, die natürlich einem Befehl gleichkam –, mit ihm im alten Ratszimmer ihres Bruders zu Mittag zu essen.
Sie hatte das Zimmer zum letztenmal vor Philipps Ankunft betreten, und als sie jetzt die Tür öffnete, erkannte sie es kaum wieder. In der Zeit ihres Bruders war es ein kahler, düsterer Ort gewesen, denn Derdas hatte keinen Gefallen an der Regierungsarbeit gefunden und das Zimmer deshalb kaum benutzt. Jetzt standen die meisten Tische aufgestapelt an der gegenüberliegenden Wand, und von den beiden übriggebliebenen war der eine mit Urkunden und Karten bedeckt. Dahinter stand Prinz Philipp, umringt von einer kleinen Gruppe sowohl makedonischer wie elimiotischer Offiziere. Phila war zehn oder zwölf Schritt entfernt, und er sprach
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