Der Makedonier
aufgenommen, vor allem von dem nicht, an den er hauptsächlich gerichtet war. Perdikkas zeigte sein Mißfallen mit einem Ausdruck geringschätziger Überraschung, der über sein Gesicht huschte. Er sah beinahe aus, als wäre Elpenors Tadel an ihn gerichtet gewesen.
»Den Männern«, begann er mit vielsagender Betonung, »wird es viel bessergehen, wenn sie von diesen gräßlichen,sumpfigen Seen wegkommen. Nach dem, was wir hier durchgemacht haben, wird ihnen der Marsch durch die Berge vorkommen wie ein Spaziergang in einem Obstgarten. Ich sehe keinen Grund, warum wir hier im Schlamm herumsitzen und auf den Angriff eines Feindes warten sollten, der wahrscheinlich in einer hübschen, trockenen Kaserne irgendwo in Molossis schläft und überhaupt nicht daran denkt, daß ein Makedonier ihm näher sein könnte als in der Garnison in Edessa.«
Er sah sich im Kreis der Offiziere um, die zuerst ihn ansahen und dann den verbindlich lächelnden Toxaechmes, dem die vollkommene Übereinstimmung mit jeder Silbe, die sein König gesprochen hatte, ins Gesicht geschrieben stand, und schließlich gab einer nach dem anderen murmelnd seine Zustimmung.
Als die Versammlung sich auflöste, gab Perdikkas Toxaechmes verstohlen ein Zeichen, daß er noch bleiben solle. Lange Zeit saßen die beiden Männer schweigend da und leerten gemeinsam einen Krug Wein, der irgendwie den Geschmack von Regenwasser angenommer hatte.
»Ich will, daß du den Befehl über die Spähtrupps von Elpenor übernimmst«, sagte der König schließlich. »Ich hätte ihn schon längst versetzen sollen, denn diese Aufgabe hinterläßt nach einer Weile bei jedem Mann Spuren. Ich kann mir vorstellen, daß er Illyrer schon in seinen Träumen sieht, und es würde mich nicht überraschen, wenn seine übertriebene Furcht auch auf die Männer unter ihm abgefärbt hat. Vielleicht möchtest du einige von ihnen ersetzen.«
»Ich werde tun, was du für richtig hältst, mein König.«
Der Regen ließ wirklich nach. Drei Tage lang hatten die Wolken am Himmel die Farbe angelaufenen Eisens, so als stünde ein furchtbarer Sturm bevor, aber sie machten ihre Drohung nicht wahr. Der Boden trocknete ein wenig, und nach einigen warmen Mahlzeiten fühlte sich jeder besser. Die Späher, jetzt von Toxaechmes befehligt meldeten keine weiteren Spuren des Feindes.
Perdikkas merkte, daß sich seine Stimmung mit dem Wetter besserte. Nun war er wieder vom Erfolg seines Unternehmens überzeugt, so wie er davon überzeugt gewesen war, als er und Euphraeos den Feldzug in Pella planten. In wenigen Tagen würden sie das Gebirge erreicht haben, und hatten sie das erst einmal überwunden, würden sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel über die Illyrer herfallen. Sein Plan würde aufgehen – die Überraschung würde vollkommen sein.
Und er hatte recht damit gehabt, Philipp bei seinen Überlegungen außer acht zu lassen. Er brauchte Philipp nicht. Schließlich stand Arybbas im südlichen Molossis und verfügte vermutlich noch über etwa fünfzehnhundert Mann, mit denen er zwar nicht ernsthaft die Kräfte des Feindes binden, ihn aber doch zumindest stören konnte. Und hatten die Makedonier erst einmal einige Siege errungen, würde Arybbas mit Sicherheit seine Truppen sammeln und die Illyrer von hinten angreifen. Er würde das nicht schlechter machen als Philipp.
Und wie Philipp sich über den Erfolg dieses Feldzugs ärgern würde! Perdikkas war überzeugt, daß sein Bruder den Zangenangriff nur vorgeschlagen hatte, weil er am Ruhm teilhaben wollte. Philipp war gewiß sehr stolz auf seinen Ruf als Feldherr, aber während er bisher nur unbedeutende Gebirgsvölker besiegt hatte, waren die Illyrer immerhin Illyrer. Ein Sieg über sie würde Philipps Erfolge gründlich in den Schatten stellen.
So sah der König von Makedonien also recht frohgemut in die Zukunft, während er seine Armee durch die weite und unwirtliche, mit vielen Sümpfen und Seen gesprenkelte Landschaft führte. Vielleicht wendete sich nun endlich sein Glück.
Am dritten Tag hatten sie das Seengebiet hinter sich gelassen. Die Berge waren nur noch zwei Tagesmärscheentfernt und sahen nicht sonderlich furchterregend aus. Perdikkas schickte einen Erkundungstrupp aus mit dem Befehl, einen geeigneten Paß zu suchen. Er wollte seine Soldaten marschieren lassen, solange das Gelände noch eben war, und ihnen dann Ruhe gönnen, bis die Kundschafter zurückkehrten.
Am Morgen des vierten Tages begann es wieder zu regnen, und war es zunächst
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