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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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nur ein leichtes Nieseln, so wurde daraus bis zum Abend ein Landregen, der sie einhüllte wie Nebel. Am fünften Tag kehrte ein Pferd ohne Reiter ins Lager zurück.
    »Da hatte einer einen Unfall«, verkündete Toxaechmes.
    »Schick trotzdem ein paar Patrouillen aus, die versuchen sollen, mit dem Erkundungstrupp Verbindung aufzunehmen. Es schadet nichts, wenn wir wissen, was passiert ist.«
    Perdikkas erwartete keine wirkliche Gefahr. Aber wenigstens würde er erfahren, wie das Gelände im Gebirge beschaffen war.
    Er ließ keine Feldschanzen errichten, als sie an diesem Abend ihr Lager aufschlugen. Besondere Befestigungen schienen ihm unnötig, und außerdem waren die Männer erschöpft.
    Der Angriff kam kurz vor Tagesanbruch.
    Als die Alarmposaunen ihn weckten, wußte Perdikkas zunächst nicht, ob er nicht vielleicht nur geträumt hatte. Dann wurde ihm bewußt, daß er den Regen nicht mehr auf die Zeltplanen prasseln hören konnte.
    Nein, das war kein Traum. Jetzt hörte er die Trompeten wieder und auch das laute Rufen der Männer. In diesem Augenblick stürzte ein Offizier ins Zelt.
    »Mein König, die Illyrer sammeln zum Angriff!« rief er aufgeregt.
    Perdikkas griff nach seinem Schwert. Brustpanzer und Beinschienen lagen neben seinem Bett, aber er sah sie nicht einmal an. Dafür war keine Zeit.
    Draußen, in der letzten Stunde vor Tagesanbruch, den sie nun vielleicht gar nicht mehr erlebten, erkannte der König sofort, aus welcher Richtung die Bedrohung kam – er mußte nur dem Lärm folgen. Am nordöstlichen Rand der Verteidigungslinie fand er in einem Knäuel Soldaten einen der Kundschafter, der auf einer Decke lag und sich die Hand auf seine linke Seite preßte. Blut quoll ihm dick zwischen den Fingern hindurch. Ein Feldscher kniete hinter ihm und stützte seinen Kopf und seine Schultern. Der Mann lag offensichtlich im Sterben.
    »Kaum eine Viertelstunde von hier sind wir auf ihre Vorhut gestoßen«, sagte der Mann, als Perdikkas neben ihm kniete. »Es war für beide Seiten eine Überraschung: Wir sind am Rand eines Wäldchens einfach übereinandergestolpert. Ich bekam einen Speer in den Bauch, aber ich konnte mich davonmachen und hierher zurückreiten. Hat es sonst noch einer geschafft?«
    Perdikkas hob den Kopf und sah die umstehenden Männer an, aber einer nach dem anderen schüttelte den Kopf.
    »Wie viele waren es?« fragte er.
    Der Mann ließ den Kopf nach hinten sinken, als würde die Frage ihn überwältigen. »Das konnte ich nicht fest* stellen, mein König, nicht in dieser Dunkelheit. Aber es schien eine große Streitmacht zu sein, nicht nur eine Patrouille. Und kaum hatten sie gemerkt, daß wir sie gesehen hatten, gingen sie auf uns los. Ich glaube, sie wollten verhindern, daß einer von uns davonkommt und Bericht erstattet.«
    »Aber du hast es geschafft«, erwiderte Perdikkas und legte dem Mann die Hand auf die Schulter. »Es kann gut sein, daß du uns alle gerettet hast.«
    Doch noch bevor er wieder stand, wußte er, daß keiner gerettet werden würde. Elpenor hatte recht gehabt: Dort draußen in der Nacht sammelte sich die illyrische Hauptstreitmacht zum Angriff. Perdikkas’ Männer waren erschöpft, zu kraftlos, um zu kämpfen, es waren keine Befestigungen errichtet, und der Feind würde wahrscheinlich schon in einer Viertelstunde über sie herfallen. Niemand mußte Perdikkas mehr zeigen, wie vollkommen er versagt hatte.
    Die Illyrer waren berüchtigt für ihre Grausamkeit gegen Gefangene. Er hatte eine Armee von viertausend Mann ins Gebirge geführt, um sie dort von Wilden abschlachten zu lassen. Das war das Ende all seiner Hoffnungen und Pläne, das Ende seiner Herrschaft als König. Alles, was er anfing, ging schlecht aus. Überdeutlich erkannte er nun das ganze Ausmaß seines Versagens, sowohl als Soldat wie als König.
    Du sollst sterben vor den Augen von Fremden. Deine Herrschaft soll in Vernichtung enden.
    Es traf alles ein, das wurde ihm schlagartig bewußt. Die Prophezeiung seiner Mutter erfüllte sich, und dies bedeutete das Ende seiner ehrgeizigen Ziele und seines Lebens.
    Wenn ihn hier also sein Schicksal ereilen sollte, so war er doch fest entschlossen, ihm wenigstens mit Tapferkeit zu begegnen. Noch lag es in seiner Macht, sich den unwürdigen Tod eines Feiglings zu ersparen.
    »Alle Männer auf Verteidigungsposten«, befahl er, und vielleicht zum erstenmal klang seine Stimme wie die eines selbstbewußten Feldherrn. »Zündet alle Feuer an -wenn nötig, verbrennt die Wagen. Wir

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