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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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dass, wenn irgendwer von diesen Leuten deine Dienste in Anspruch nimmt, dieser Mann einen ordentlichen Anteil bekommt. Kapiert? Er ist der Boss, und wenn du dich je mit ihm anlegst, kannst du dich genauso gut gleich selbst umbringen und allen die Mühe ersparen. Denn dieser Mann wird dir und allen, die bei dir sind, so dermaßen den Arsch aufreißen, wie du dir das gar nicht vorstellen kannst. Haben wir uns da vollkommen verstanden?«
    Ich nickte wieder. Ich konnte mir denken, wer dieser Mann war – derselbe, dem ich in Mr. Marshs Büro begegnet war. Der Mann in dem Anzug mit dem besonderen Aftershave und den ausländischen Zigaretten.
    »Wenn der rote Pager piept«, sagte der Ghost, »was machst du?«
    Ich formte ein Telefon mit Daumen und kleinem Finger und hielt es ans Ohr.
    »Wie bald machst du das?«
    Ich zeigte auf den Boden. Sofort.
    »Ich weiß, das scheint allem anderen, was ich dir gesagt habe, zu widersprechen, das mit der Primadonna und einfach weggehen und die Typen stehenlassen. Aber verlass dich auf mich. Wenn er dich braucht, solltest du schleunigst zur Stelle sein.«
    Er tat den roten Pager wieder in den Karton und machte den Deckel zu.
    »Keine Sorge«, sagte er, »so oft wird er nicht anrufen. Ist ja nicht, als bräuchte er viel Hilfe von anderen.«
    Er reichte mir den Karton. Wartete darauf, dass ich ihn nahm.
    »Du bist so weit. Nimm sie.«
    Nein, dachte ich. Ich bin ganz bestimmt nicht so weit.
    »Dir ist wohl klar, dass du zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr frei entscheiden kannst«, sagte er. »Du hast dich schon entschieden. Ich will dir keine Angst machen oder so, aber der nächste Anruf auf dem roten Pager wird für dich sein, ob es dir gefällt oder nicht.«
    Ich nahm den Karton. Der Ghost stand von seinem Stuhl auf.
    »Denk daran, dass du an dem Schloss drehst, jeden Tag. Wenn du damit aufhörst, verlierst du dein spezielles Fingerspitzengefühl.«
    Er griff in seine Hosentasche und zog einen Schlüsselbund heraus, den er mir zuwarf.
    »Der große ist für die Eingangstür. Der silberne fürs Büro. Ein paar von den kleinen sind für die Schubladen dort, glaube ich. Der letzte ist für die Pforte im Hof, falls die überhaupt noch aufgeht.«
    Ich sah ihn fragend an. Wozu sollte ich die brauchen?
    »Ich gehe nicht davon aus, dass du den Laden hier übernehmen möchtest. Also schließt du ihn am besten ab. Mach ein Schild dran, ›Wegen Renovierung geschlossen‹ oder so was. Du kannst immer noch herkommen und üben.«
    Ich zeigte auf ihn. Wo gehen Sie hin?
    »Hab ich dir doch erzählt«, antwortete er. »Meine Tochter braucht mich, unten in Florida. Ein Traum wird wahr, was? Sie wohnt in einem dieser sogenannten Fertighäuser, was nur ein feinerer Ausdruck für einen extrabreiten Wohnwagen ist. Hinten raus ein Sumpf mit Alligatoren, die an Land kriechen und all die kleinen Hunde fressen.«
    Ich machte eine ausholende Bewegung in die Umgebung.
    »Oh ja, wie kann ich das alles bloß aufgeben? Keine Sorge, an den meisten Sachen hänge ich nicht besonders. Mir gehört sowieso nichts davon.«
    Ich hob fragend die Hände.
    »Wem dann, willst du wissen? Was glaubst du wohl?«
    Er deutete auf den roten Pager.
    »So, wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich möchte mich von den Ladys verabschieden.«
    Ich wusste natürlich, wen er meinte. Ich ließ ihn dort in dem Hinterhof allein, damit er noch eine Weile in Ruhe im Garten der Safes verbringen konnte. Den Schuhkarton unter den Arm geklemmt, rollte ich mein Bike hinaus auf den Gehweg. Ein paar Meter weiter, vor der Reinigung, stand eine überquellende Mülltonne. Ich könnte den Karton einfach dort draufwerfen, dachte ich. Wegfahren und nie wiederkommen.
    Stattdessen öffnete ich das kleine Staufach hinter dem Sitz. Der Karton passte gerade so hinein.
    Als ich mich dort auf dem Gehweg zu schaffen machte, bemerkte ich ein Auto auf der anderen Straßenseite. Ich sah gerade noch das Gesicht des Fahrers, bevor er sich hinter einer Zeitung versteckte. Es war der Mann, der neulich in den Laden gekommen war, der Mann, der bis nach hinten zu den Tresoren vorgedrungen war. Sein Name fiel mir wieder ein. Harrington Banks. Den seine Freunde Harry nennen.
    Muss ein Cop sein, dachte ich. Wer sonst sollte so was machen? Ich könnte hingehen und an sein Fenster klopfen, meinen Block herausholen und alles aufschreiben, was ich weiß, ehe ich noch tiefer in die Sache hineinrutsche.
    Ich setzte meinen Helm auf und fuhr zu Amelia.
     
    Amelias Vater war fort.

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