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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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wusste, es könnte meine letzte Chance sein, frei zu werden.
    Ich mache es, sagte ich mir. So oder so, ich werde es versuchen.
    Die letzten tausend Kilometer flog ich nur so dahin.

[home]
    Kapitel fünfundzwanzig
    Michigan
August, September 1999
    I ch kam an der frischen Scharte im Brückendamm vorbei, verziert mit kirschrotem Lack, als ich an dem Morgen zu ihr hinausfuhr. Sie war da, als ich vorm Haus hielt. Eine Reisetasche über die Schulter geschlungen. Bezog gerade wieder ihr eigenes Heim nach ihrem kleinen »Ferienaufenthalt« bei Verwandten im Norden. Als sie mich sah, ließ sie die Tasche fallen, lief auf mich zu und umarmte mich ein paar Minuten lang ganz fest. Sie küsste mich und sagte, wie sehr sie mich vermisst hätte, und machte mich überhaupt völlig benommen vor plötzlichem Glück.
    So lernte ich, wie entscheidend es sein kann, wenn man nur eine bestimmte einzelne Sache richtig gut macht.
    Ich half ihr, ihre Sachen hineinzutragen. Noch ein kleiner Freudenrausch, als ich Zekes gesammelte Liebesschwüre neben den vertrockneten Rosen in ihrem Papierkorb sah. Sie wollte, dass ich eine Spritztour mit dem Motorrad mit ihr machte, gleich auf der Stelle, aber es war schon kurz vor Mittag. Ein erster Vorgeschmack auf den Konflikt, mit dem ich den ganzen restlichen August würde leben müssen. Mr. Marsh kam mir zumindest an dem Tag zu Hilfe und sagte Amelia, dass ich im Fitnesscenter arbeiten müsse, wir uns aber sicher später noch sehen könnten. Als sie gerade abgelenkt war, zwinkerte er mir zu und hob den Daumen.
    So würde es wohl letztendlich laufen müssen. Schließlich hatte ich immer noch meine gerichtlich angeordneten Verpflichtungen gegenüber Mr. Marsh. Darüber hinaus wusste ich, dass es einzig und allein mein Training mit dem Ghost war, das alle gesund und glücklich erhielt. Auch wenn Amelia noch nichts davon ahnte, war ich angestrengt damit beschäftigt, die Wölfe von ihrer Tür fernzuhalten.
    Ich war nicht naiv, was mein Tun betraf. Das nicht. Ich meine, wenn ich mir erlaubte, darüber nachzudenken, war mir schon bewusst, dass ich diesen Kram nicht lernte, damit ich meine eigene kleine Schlosserei an der Main Street aufmachen konnte. Ich wusste, diese Männer erwarteten von mir, dass ich irgendwann ernstlich einen Safe für sie öffnete. Ich meine, einen Safe, der jemand anderem gehörte. Damit konnte ich leben, dachte ich. Einen Safe knacken, sie tun lassen, was sie tun mussten. Dann meiner Wege gehen.
    Ich dachte wirklich, dass es so einfach sein könnte. Ehrlich.
     
    Am Ende der Woche schaffte ich es, alle acht Safes hintereinander zu öffnen. Ich rollte auf dem Bürostuhl vom einen zum anderen. Es dauerte den ganzen Nachmittag, und als ich den letzten aufhatte, war mein Rücken nassgeschwitzt, und mein Kopf hämmerte, aber ich konnte es. Am Tag darauf hatte der Ghost sämtliche Kombinationen neu eingestellt, und ich machte das Ganze noch mal.
    Gegen Ende der folgenden Woche schaffte ich es, ohne mich dabei völlig zu erschöpfen, und in der Hälfte der Zeit. Ich hatte auch immer noch das tragbare Schloss-Set zu Hause. Abends fuhr ich natürlich zu Amelia, doch wenn ich nach Hause kam, drehte ich weiter an der Scheibe, nur um mir mein Tastgefühl zu erhalten.
    Eines Tages ging wieder einer der Pager los. Ich hörte schon am Ton, dass es ein anderer war als beim ersten Mal. Der Ghost verschwand, um zu telefonieren, aber diesmal zitterte er nicht wie ein kleines Kind, das zum Direktor gerufen wurde, als er zurückkam.
    »Bande von beschissenen Amateuren«, brummte er vor sich hin. »Gibt es denn überhaupt keine Profis mehr? Leute, die ihr verdammtes Handwerk verstehen?«
    Zwar hörte ich ihn solches Zeug reden, wusste aber immer noch nicht genau, was er damit meinte. Wer die Leute am anderen Ende der Pager waren. Ich machte einfach weiter. Wurde besser und schneller. Ich fuhr jeden Tag nach Detroit, trainierte mit dem Ghost und fuhr dann zurück, um mit Amelia zu Abend zu essen. Wir saßen in ihrem Zimmer, zeichneten, kurvten mit dem Motorrad herum. Landeten manchmal in ihrem Bett. Immer öfter sogar, je mehr mir klarwurde, dass uns niemand davon abhielt. Ihr Vater ging oft stundenlang weg, und selbst wenn er da war, verzog er sich meist sehr deutlich in sein Büro, wie um zu signalisieren, dass er auf keinen Fall nach oben kommen und uns stören würde. Rückblickend ist es geradezu pervers, wie viel Freiheit er mir offenbar schuldig zu sein glaubte. Und das unter seinem eigenen

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