Der Mann aus dem Safe
damit ich nach Pennsylvania fahren und helfen kann, einen Safe auszurauben.
Am nächsten Morgen kaufte ich mir ein Paar Gepäcktaschen. Sie hingen zu beiden Seiten über den hinteren Sitz des Motorrads. Dann stopfte ich sie mit allen Klamotten voll, die hineinpassten, außerdem Zahnbürste, Zahnpasta, was man so braucht. Ich packte mein Safeschloss ein. Ich packte die Seiten ein, die Amelia während des Sommers für mich gezeichnet hatte. Ich packte die Pager ein.
Ich hatte rund hundert Dollar zusammengespart, dazu kamen die fünfhundert, die die Männer mir nach dem gestellten Einbruch gegeben hatten. Minus dreißig Dollar für die Motorradtaschen, also 570 Dollar insgesamt.
Ich ging in den Schnapsladen, durch die Hintertür, falls Onkel Lito mal wieder eines seiner morgendlichen Nickerchen hielt. Als ich nach vorn zum Eingang kam, lag er halb auf der Theke, den Kopf auf die Unterarme gebettet. Wenn Kundschaft kam, fuhr er immer sofort hoch und tat so, als hätte er kein bisschen geschlafen.
Ich schlich um ihn herum und drückte die spezielle Taste an der Kasse, womit man die Lade öffnete. Schnell zählte ich das Geld. Es war nicht viel drin, und das wenige legte ich gleich wieder zurück. Ich konnte es nicht nehmen. Als ich die Lade schloss, wachte Onkel Lito auf.
»Was? Was ist los?«
Ich legte ihm eine Hand auf den Rücken. Was nicht gerade eine Angewohnheit von mir war.
»Michael! Ist alles in Ordnung?«
Ich hob den Daumen. Spitzenmäßig.
»Was machst du hier? Solltest du nicht in der Schule sein?«
Er sah sehr alt aus heute. Der Bruder meines Vaters, der sich verantwortlich fühlte für das, was mit mir passiert war, der mich zu sich genommen hatte, obwohl er kein bisschen dafür geeignet war, sich um einen anderen Menschen zu kümmern.
Aber er hatte es versucht, stimmt’s? Er hatte es versucht.
Und er hatte mir ein verdammt prima Motorrad geschenkt.
Ich umarmte ihn zum ersten und letzten Mal. Dann ging ich zur Tür hinaus.
Jetzt kommt der Teil, der mich fertigmacht. Ich musste noch einen kleinen Halt einlegen. Bei dem Trödelladen ein Stück die Straße hinunter. Ich ging hinein und winkte dem alten Mann zu, demselben, der mir damals meine ersten Schlösser verkauft hatte.
Heute jedoch wollte ich kein Schloss. Ich ging zu der Glastheke und zeigte auf einen Ring. Ich wusste nicht, ob der Diamant darin echt war. Mir war er nur vorher schon einmal aufgefallen, und ich fand ihn schön. Und ich hatte genug Geld, um ihn zu kaufen. Er kostete nur hundert Dollar.
Als ich das kleine Schmuckkästchen mit dem Ring in meiner Jacke verstaut hatte, fuhr ich zu Amelia. Das Haus war leer. Mr. Marsh war im Fitnesscenter oder wo er sich sonst tagsüber aufhielt, nun, da ich ihm sein Leben zurückgegeben hatte.
Amelia war natürlich in der Schule. Wie jede normale Siebzehnjährige.
Die Haustür war abgeschlossen. Ich ging nach hinten, wo ebenfalls abgeschlossen war. Noch einmal, um der alten Zeiten willen, holte ich mein Werkzeug heraus und knackte das Schloss. Es erinnerte mich an das erste Mal, als ich mit den Footballspielern in das Haus eingedrungen war, und an die Zeit danach, als ich es nur getan hatte, um ein Bild in Amelias Zimmer zu legen.
Ich bereute nichts davon. Und tue es bis heute nicht.
Als ich drin war, ging ich nach oben und setzte mich auf ihr Bett. Amelias Bett, garantiert die schönsten paar Quadratmeter auf dem Planeten Erde. Ich saß dort und rief mir noch einmal alles in Erinnerung, und dann versuchte ich zum letzten Mal an diesem Tag, mir das Ganze auszureden.
Du könntest sie jetzt sofort abholen, dachte ich. Hol sie aus der Schule, gib ihr den Ring persönlich. Nimm sie mit. Du liebst sie, du kannst nicht ohne sie leben, du wirst es irgendwie hinkriegen, dass es klappt. Wozu sollten deine Gefühle sonst gut sein? Wozu hast du ein Herz in deiner Brust, das dir sagt, das ist der Mensch, mit dem du dein Leben verbringen willst, wenn du nicht danach handeln kannst?
Und so weiter. Bis mir wieder die Wahrheit aufging. So klar wie die Sonne. So klar wie der Ausdruck auf ihrem Gesicht, als diese Männer mit ihrem Vater auf dem Rücksitz vorm Haus vorgefahren waren.
Ich kann dich nicht mitnehmen, dachte ich. Ich kann dich nicht damit belasten. Mit nichts von alledem. Ich kann dir nicht einmal sagen, wohin ich gehe.
Ich stand auf. Ich nahm das Kästchen mit dem Ring aus der Tasche und legte es auf ihr Kopfkissen.
Ich habe das alles für dich getan, Amelia. Und jetzt muss ich
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