Der Mann aus dem Safe
Abend festzuhalten. Uns alle, wie wir aussahen, während wir uns bereitmachten. Wie es auch ausgehen mochte, nichts würde mehr so sein wie vorher.
Es wurde Mitternacht. Wir versuchten zu schlafen.
Dann der nächste Morgen … Gunnar bekam einen Anruf von seinem Kontakt. Das Boot hatte den Kurs geändert. Es würde doch nicht in Marina del Rey anlegen, sondern direkt nach Mexiko schippern.
»Vier Millionen Dollar«, sagte Gunnar. »Vier Millionen auf diesem verdammten Boot, und es legt nicht an? Scheiße, das ist doch nicht zu glauben!«
»Vielleicht haben sie einen Tipp bekommen«, sagte Julian. »Sie wissen, dass da was im Busch ist.«
»Sei nicht blöd. Diese Typen sind clever, aber sie sind keine Hellseher.«
»Oder das Pokerspiel lässt sie nicht los«, sagte Julian. »Vielleicht wollen sie den ganzen anderen Quatsch einfach auslassen, das Golfspielen, den Ausflug nach Vegas …«
»Wir sollten uns selbst ein Boot besorgen«, sagte Gunnar. »Was richtig Schnelles. Dort rausfahren und sie überfallen, draußen auf See.«
»Super Idee, das würde bestimmt funktionieren.«
»Ich meine es ernst, Julian. Ich schwafel nicht nur so daher.«
»Mach nur und versuch es. Sie werden dich vierteilen und an die Haie verfüttern.«
»Ich bin froh, dass wir es nicht machen«, sagte Lucy. Sie hatte ihre Kopfhörer abgenommen und sprach zum ersten Mal seit zwei Tagen. »Ich hatte kein gutes Gefühl dabei.«
Gunnar starrte sie einen langen Moment feindselig an. Dann schnappte er sich einen von Ramonas sorgfältig gepackten Präsentkörben und schleuderte ihn quer durchs Zimmer. Er knallte gegen die Wand, worauf Zigarren und grünes Krepppapier und der warme Geruch von Whisky sich überall verteilten.
Danach ging jeder seiner eigenen Wege. Keiner wollte mit den anderen zu Abend essen.
Kurz vorm Schlafengehen erhielt Gunnar einen zweiten Anruf. Die Jacht würde am nächsten Morgen einen Zwischenhalt in San Diego einlegen, sagte sein Kontakt. In einem der Jachthäfen in Coronado, am nördlichen Ende der San Diego Bay. Wenn wir früh genug aufstanden, konnten wir sie gerade noch erwischen.
Julian fuhr. Ramona saß neben ihm auf dem Beifahrersitz. Gunnar und ich hinten, Lucy zwischen uns. Die Sonne ging gerade auf.
»Das klappt«, sagte Gunnar. »Damit rechnen sie nie. Wir machen es genau so, wie du immer sagst – zuschlagen, wenn sie nicht hinsehen. Acht Schwergewichte mit einer halben Million pro Nase? Um was werden die sich Gedanken machen? Piraten? Die Banditos in Mexiko? Wann werden sie am unvorsichtigsten sein? Bei einem spontanen Zwischenstopp! Ihrem letzten Halt in den USA !«
»Wir sind noch nie dort unten gewesen«, sagte Julian. »Wir haben keine Ahnung, auf was wir uns da einlassen.«
»Dann musst du eben einmal im Leben ein bisschen improvisieren«, erwiderte Gunnar. »Wir machen das ganz fix, rein, raus und nichts wie wieder weg. Das ist zu schaffen.«
»Was meinst du?«, sagte Julian zu Ramona.
»Jetzt fragst du mich nach meiner Meinung? Wo wir schon dorthin unterwegs sind?«
»Ja. Jetzt frag ich dich.«
»Meine Meinung ist, wir gehen mit unserer Lieferung dorthin zu dem Boot. Wenn wir ein komisches Gefühl haben, hauen wir wieder ab. Kein großer Verlust.«
»Vier Millionen Dollar«, sagte Gunnar, »das hört sich für mich nach einem verdammt hohen Verlust an.«
»Was ist mit deinem Leben?«, erwiderte Ramona. »Wie hoch ist der Verlust?«
»So weit kommt es nicht.«
»Du bist diesem Mann nie begegnet«, sagte sie und drehte sich zu ihm um. »Du hast ihm nie in die Augen gesehen so wie ich.«
»Hört auf damit«, sagte Lucy. »Hört sofort alle auf zu reden.«
Das taten sie. Sie verstummten und leisteten mir beim Schweigen Gesellschaft. Julian fuhr weiter. Trotz all seiner Bedenken war er es, der uns mit Höchstgeschwindigkeit dorthin brachte.
Die Sonne stieg gerade über die San Marcos Mountains, als wir uns dem nördlichen Ende der San Diego Bay näherten. Von einem Moment auf den anderen glitzerte das Meer plötzlich im Sonnenlicht. Wir fuhren über die Brücke nach North Island. Als wir vor dem Jachthafen hielten, sahen wir die Boote dort alle in einer Reihe liegen. Wir parkten am Lieferanteneingang. Julian machte den Kofferraum auf, und wir begannen damit, unsere Ladung auf den Kai zu wuchten. Die Weinkisten. Die Präsentkörbe.
Wir trugen natürlich alle unsere spezielle Aufmachung für den Tag der Entscheidung. Julian, Gunnar und ich in gleichen schwarzen Hosen und
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