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Der Mann aus London

Der Mann aus London

Titel: Der Mann aus London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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hat!«
    Molisson sagte etwas auf Englisch, und Madame Brown wischte sich die Augen ab.
    Maloin schlug den Weg ein, der an der Steilküste entlang führte.
    »Ist es sehr weit?« fragte der Inspektor.
    »Auf der anderen Seite des Beckens, nicht weit von meinem Haus. Sie werden’s gleich sehen!«
    Meistens gibt es im Winter nur zwei oder drei Tage, an denen der Morgen so ruhig und so hell ist, daß die Luft eigentlich voller Glocken hängen müßte.
    »Tag, Louis!« rief ihm jemand zu, als sie über den Fischmarkt gingen.
    Maloin erkannte Baptiste, der sein Boot aus dem Wasser gezogen hatte und das schöne Wetter ausnützte, um es neu zu streichen.
    »Tag«, grüßte er zurück.
    Er schaute gleichmütig zu der Glaskabine auf der anderen Seite hinüber. Sie gingen alle drei im gleichen Tempo, als ob sie sich abgesprochen hätten, und Maloin hatte nicht das Gefühl, unter Fremden zu sein.
    Es waren kaum ein paar Worte gefallen, und Madame Brown wußte doch schon alles. Es hatte noch nicht einmal Geschrei gegeben, Drohungen, verzweifeltes Gestikulieren. Sie hatte die französischen Worte verstanden, ohne Französisch zu können. Sie hatte erraten, wohin sie gingen, und sie lief ebenso schnell wie die beiden Männer. Sie sahen alle drei gleich abgespannt aus, aber der Blick der jungen Frau war starrer als gewöhnlich, und ihre Lippen schienen ausgedörrt.
    Als Maloins Haus auf der Steilküste sichtbar wurde, deutete er nach oben, auf die sonnenüberflutete Front.
    »Da bin ich zu Hause«, sagte er zu Molisson.
    Madame Brown schaute ebenfalls zu der Steilküste hinauf.
    Sie gingen jetzt immer schneller. Madame Brown hielt ein zusammengeknülltes Taschentuch in der Hand, mit dem sie sich ab und zu die Augen abtupfte, oder die Nase.
    Im ersten Stock stand ein Fenster offen. Drinnen bewegte sich jemand, aber es war nicht zu erkennen, ob es Henriette war oder ihre Mutter.
    »Hier entlang. Vorsicht, der Weg ist schlecht.«
    Sie gingen um einen Vorsprung der Steilküste herum. Das blaue Segelboot fuhr in den Hafen zurück, und der Bootsbesitzer rief Maloin auch einen Gruß zu.
    »Sie haben Jakobsmuscheln gefischt«, erklärte Maloin.
    Er sagte es fast schüchtern, als ob er seine Tat durch Freundlichkeit in den Hintergrund drängen könne. Aber daran dachte er gar nicht. Es kam ganz spontan, und er hätte der kleinen Madame Brown gern geholfen, die Mühe hatte auf dem steinigen Weg und sich die Knöchel anschlug.
    Die beiden anderen Segelboote waren noch draußen. Die Flut hatte sie so nahe an die Küste herangetragen, daß man Pfeifenrauch aufsteigen sah und einen Fischer, der gerade eine Weinflasche an den Mund setzte.
    »Von hier aus kann man die Hütte sehen. Sie müssen wissen, ich arbeite immer nachts«, fügte er eifrig hinzu. »Und tagsüber bin ich frei. Ich fische, ich bastle herum, ich mache dies und jenes. Und so habe ich mir auch die Hütte da gebaut, für mein Boot und die anderen Geräte.«
    »Da sehen Sie doch, wie ich im Grunde bin«, wollte er damit zum Ausdruck bringen. »Ich bin nicht bösartig. Ich bin ein anständiger Mann. Man darf mir das nicht übelnehmen. Ich bin genauso unglücklich wie Madame Brown. Wir sind alle beide unglücklich.«
    Er zog den Schlüssel hervor. Madame Brown sah ihm mit zusammengekniffenen Augen zu, und die Ringe um ihre Augen traten schärfer hervor. Sie griff hilfesuchend nach Molissons Arm.
    »Es ist alles so dumm gelaufen …« sagte Maloin. Er trat beiseite, daß die anderen etwas sehen konnten, den Kopf eingezogen wie in Erwartung von Schlägen.
    Madame Brown rührte sich nicht. Sie klammerte sich an den Inspektor und starrte auf die Leiche am Boden, dann auf Maloin, dann wieder auf die Leiche. Sie brachte kein Wort heraus und wirkte wie leblos in ihrer Starre.
    »Hier, bitte«, sagte Maloin wie vorhin bei dem Koffer.
    Seine Knie zitterten, und seine Handflächen waren feucht.
    »Hatte er sich hier in der Hütte versteckt?« fragte der Inspektor, nachdem er sich zuerst geräuspert hatte.
    »Ja. Ich habe ihm Wurst und Sardinen gebracht, nachdem ich es wußte. Da! Sehen Sie, das Stück Papier auf dem Boot! Da ist noch eine Scheibe Pastete drin.«
    Er verstummte, als Madame Brown sich laut schreiend auf den Kiesboden warf und wie in einem Krampf mit Armen und Beinen um sich schlug. Der Inspektor kniete sich neben sie und redete ihr auf Englisch zu. Maloin wußte nicht, was er mit sich anfangen sollte. Er hatte ein sauberes Taschentuch dabei, entfaltete es und breitete es über

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