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Der Mann, der Donnerstag war

Der Mann, der Donnerstag war

Titel: Der Mann, der Donnerstag war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Unbekümmertheit und sich aller Oeffentlichkeit und allem Verdacht preisgebend, so wie's seine Politik war, eben jenen Gogol auf – um seiner Unfähigkeit willen, hübsch konventionell zu scheinen.
    »Unser Freund Dienstag«, sang es tief, gelassen und voluminös, »unser Freund scheint alles zusammen immer noch nicht begriffen zu haben. Er zieht sich wie ein Kavalier an, aber er scheint eine zu große Seele zu haben, als daß er sich wie ein Kavalier benehmen könnte. Er kanns nicht lassen, immer wieder den Verschwörer herauszubeißen. Wenn ein Kavalier in Zylinderhut und Gehrock durch London geht, braucht kein Mensch zu wissen, daß er ein Anarchist ist. Aber wenn ein Kavalier in Zylinderhut und Gehrock auf Händen und Füßen umherläuft – ja, da muß man doch auf ihn aufmerksam werden. Ja ja ja ja, Bruder Gogol! Der läuft so lange mit einer solch unerschöpflichen Diplomatie auf Händen und Füßen, bis er es unmenschlich findet, aufrecht zu gehen.«
    »Ich verrrsteh mich nicht auf Verrrstecken«, sprach Gogol verdrießlich – in einem sehr fremdländischen Akzent; »ich schämme mich auch nicht.«
    »Ja ja ja ja, mein Lieber – versteckt sich nicht – und schämt sich nicht – schämt sich nicht, sich nicht zu verstecken –« meinte der Präsident gutmütig. »Sie verheimlichen soviel wie nur irgendeiner. Aber Sie können es nicht – sehen Sie – so ein Esel sind Sie! Sie versuchen, zwei ganz inkonsistente Methoden zu kombinieren. Wenn ein Familienvater einen Mann unter seinem Bett findet, wird er wissen, was er zu tun hat. Aber wenn er einen Mann mit einem Zylinder unter seinem Bett findet, – das müssen Sie mir zugeben, mein lieber Dienstag – wird er schwerlich vergessen, dies insonders in Erwägung zu ziehn. Nun ... wenn Sie unter Admiral Biffins Bett gefunden werden –«
    »Ich taugge nicht zu Betrugg«, sagte Dienstag verdrießlich – und errötete.
    »Ach ja, mein Lieber, ach ja ja ja«, sprach der Präsident besonders und auffallend herzlich, »Sie taugen zu überhaupt nichts.«
    Wie so der Strom der Rede floß, sah sich Syme die Herren um ihn genauer, durchdringender an. Und dabei schwand jene seine unkörperliche Ohnmacht mehr und mehr und kehrte ihm all seine geistige Spannkraft seltsamlich zurück.
    Er war zuerst der Meinung gewesen, daß sie alle, mit der alleinigen evidenten Ausnahme des härenen Gogol, von gewöhnlicher Gestalt und Tracht wären. Wie er aber nun einen nach dem andern so ansah, grinste ihm aus jedem von ihnen das entgegen, das ihm heut in aller Früh aus dem Mann am Fluß entgegengegrinst hatte: irgendein höllisch Detail, irgendwie eine Besessenheit. Jenes Lachen immer nur mit der Hälfte des Gesichts, das das feine Gesicht seines Führers von heute morgen von Zeit zu Zeit so sehr entstellte – das war typisch für alle die Typen. Ein jeder hatte bei näherer Beobachtung – früher oder später, was an sich, das gewiß nicht normal, das außer- oder unmenschlich war. Die einzige Metapher, die er aufbrachte, war die: feine Leute – aber durch einen Hohlspiegel gesehen.
    Einzelne Beispiele mögen diese halbverborgene Exzentrizität klarlegen. Symes Cicerone, das war derjenige, welcher der Montag war; der Sekretär des Rats; und seine zwei Lächelhälften, die in Trennung von Tisch und Bett lebten, flößten dir ein ärgeres Entsetzen ein als alles sonst – das scheußliche Gewieher des Glücks des Präsidenten ausgenommen. Nun aber Syme mehr Muße und günstigeres Licht hatte, ihn zu beobachten, fielen ihm bald noch andere Dinge auf. Sein feines Gesicht war so abgezehrt, daß Syme glauben mußte, da müßte irgendeine fressende Krankheit dahinterstecken. Von Zeit zu Zeit aber schürte dann wieder eine solche Qual das Feuer seiner Augen, daß man erraten mußte: das konnte keine physische Krankheit sein. Dann flammten seine Augen so sehr Verdammnis, als ob bloßes Denken ihm Hölle wäre.
    Und er – er war typisch für jeden von der Sippe; ein jeder aus dieser Gesellschaft war subtil und differenziert – verdreht. Nächst ihm saß der Dienstag, der viehwollige kratzbürstige Gogol, einer der augenscheinlich nahebei verrückt war. Nächst diesem der Mittwoch, ein gewisser Marquis de St. Eustache, eine sattsam charakteristische Figur. Auf den ersten Blick und etwa auf noch zwei Blicke fandst du absolut nichts Ungewöhnliches an ihm; außer, daß er der einzige Mann vom Tisch war, der sich von Haus aus stets nach der Mode getragen hatte. Mit einem schwarzen

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