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Der Mann, der Donnerstag war

Der Mann, der Donnerstag war

Titel: Der Mann, der Donnerstag war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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sich irgend nur sagen ließ. Eines aber konnte er Ihnen nicht sagen: und das ist der letzte Einfall des Präsidenten. Denn seine Einfälle schießen aus ihm heraus, wie ein Wald in den Tropen. Da Sie das also nicht wissen können, so sage ich Ihnen, daß sein neuester Einfall darin besteht: uns zu verbergen, indem wir uns überhaupt nicht mehr verbergen. Ursprünglich tagten wir natürlich ebenso unterirdisch wie Ihre Filiale. Dann wollte Sonntag, daß wir ein Vereinslokal in einem gewöhnlichen Restaurant mieteten. Wo kein Versteck ist, sagte er, da ist auch keine Jagd. Nun ... er ist ein einziger Mensch auf Erden . . . ich weiß; aber zuweilen ist mir, als ob sein ungeheurer Kopf ein bißchen verdreht würde mit dem Alter. Denn . . . augenblicklich . . tun wir uns direkt vor aller Oeffentlichkeit hervor. Wir frühstücken auf einem Balkon – auf einem Balkon, bitte – der direkt auf Leicester Square herausgeht.«
    »Und was sagen die Leute dazu?« fragte Syme. »Das ist furchtbar einfach, was sie sagen«, antwortete sein Führer, »wir seien lauter fidele Häuser, die behaupteten, daß sie Anarchisten seien.« »Das scheint mir eine sehr nette Idee«, sagte Syme.
    »Nett!? Der Teufel hole Ihre Dreistigkeit! Nett!« schrie da mit einem Male der andere laut auf, und das war ebenso erschreckend und aus allem Zusammenhang heraus wie jenes schiefe Lächeln. »Sowie Sie Sonntag auch nur eine tausendstel Sekunde lang gesehen haben werden, werden Sie sich hüten mit nett!«
    Unterdem kamen sie aus einer engen Straße heraus, und da lag Leicester Square in vollem frühem Sonnenlicht. Du verstehst es eigentlich nie so recht, wieso dieser Platz so ausländisch, so gar nicht insular, sondern so gar viel kontinental aussehen soll. Du weißt nicht, ob es nun sein fremdes Aussehen ist, das die Fremden anzog, oder obs die Fremden sind, davon er sein fremdes Aussehen erhielt. Heute aber, diesen einen besonderen Morgen, war die Wirkung eine besonders lebendige und unmittelbare. Der offene Platz ... die Sonne ... die Statue ... das Sarazenische des Umrisses der Alhambra ..., es war die Kopie eines französischen oder spanischen öffentlichen Platzes. Und diese Wirkung ward, in Syme aufs neue zur Sensation, die in so vielerlei Form durch sein ganzes Abenteuer ging, zu der Sensation: ich geriet da in eine neue; Welt ...! Tatsache war, daß er rund um diesen Leicesterplatz herum seit seinen Knabenjahren überall schlechte Zigarren einkaufen gegangen war – – aber als er nun um die Ecke bog und die Bäume und die maurischen Kuppeln sah, hätte er schwören mögen, er bog in einen unbekannten Placede Soundso oder anderswo in irgendeiner fremden Stadt ein.
    Aus einem Winkel des Platzes sprang eine Art Ecke eines guten, aber stillen Hotels heraus, das mit seiner Front einer Seitenstraße zugehörte. Und ein breites, bis auf den Boden der Etage herabgehendes Fenster war da ausgehauen – das Fenster eines Kaffeehauses offenbar. Und vor der Fenster-Türe, auf den Platz heraus, ein lebensgefährlich ausgehängter Balkon, groß genug, um einen Speisetisch drauf zustellen. Und in der Tat – da stand ein Mittagstisch drauf, oder, um es richtiger zu sagen, ein Frühstückstisch. Und rund um den Frühstückstisch, erschimmernd im Sonnenlicht und geradaus im Freien und über der Straße und über dem Platz, eine Gruppe von lärmenden redseligen Herren, alle auf das neumodischste angezogen, mit weißen Westen und kostspielig gefüllten Knopflöchern. Manche ihrer Spaße hörte man schier über den ganzen Platz. Und da lächelte der ernste Sekretär sein unnatürlich Lächeln, und da wußte Syme: diese laute öffentliche Frühstücksgesellschaft war das stille geheime Konklave der Europäischen Diener des Dynamits.
    Dann, wie Syme dies Bild weiter anstarrte, sah er etwas, das er erst nicht sehen konnte. Das er erst nicht – übersehen konnte, indem es zu weitläufig war ... Am Balkonende, das Syme zugewendet war, da verbaute gut den halben Teil der Aussicht der Rücken – eines Berges von einem Manne! Als Syme dies Ungetüm gewahrte war sein erster Gedanke der: jetzt stürzt – vor lauter Gewicht – der steinerne Balkon ein. Und all die Ungeheuerlichkeit bestand nicht etwa ausschließlich in einer unnormalen Länge und ganz und gar unglaublichen Feistigkeit: dieser Mann war von absoluten Proportionen und nur eben meisterlich in Ueberüberlebensgröße so wie eine Kolossalstatue ausgehauen. Sein Kopf mit dem weißen Scheitel sah von

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