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Der Mann, der Donnerstag war

Der Mann, der Donnerstag war

Titel: Der Mann, der Donnerstag war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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erzittern!«
    Nach einer kleinen Stille behauptete der neue Mann namens Ratcliffe mit viel Düsterheit:
    »Selbstverständlich ist der Präsident nicht darunter. Aber ich wünschte, ich wünschte – er wäre darunter. Sehr wahrscheinlich reitet der Präsident augenblicklich im Triumph durch Paris oder sitzt auf den Ruinen von St. Pauls Cathedral.«
    »Das ist doch absurd!« sagte Syme. »Irgend etwas mag während unserer Abwesenheit geschehen sein. Aber so auf einmal hat er die Welt denn doch nicht bemeistert. Es ist ja wahr«, setzte er hinzu und blickte besorgt über die Felder weit bis zur kleinen Station hin, »es ist sicherlich wahr, daß da irgendein Pöbel auf uns her zu kommen scheint. Aber der ist doch nicht die Armee, die Sie aus ihm machen wollen.«
    »Oh, die da?« sprach der neue Detektiv verächtlich, »nein – die sind keine sehr schätzbare Streitmacht. Aber lassen Sie mich Ihnen geradaus erzählen, daß sie präzis gegen unser bescheidenes Vermögen taxiert sind. Wir sind so winzig wenig, mein lieber Junge, in Sonntags Universum. Er hält alle Kabel und Telegraphenlinien besetzt. Den Allerhöchsten Rat aber umzuwerfen, das ist ihm dagegen eine so triviale Sache wie eine Korrespondenzkarte. Das überläßt er ruhig seinem Privatsekretär –« und er spuckte ins Gras.
    Dann wandte er sich an alle und meinte ziemlich säuerlich:
    »Wir sind höchstwahrscheinlich samt und sonders futsch. Aber wer von Ihnen sich noch etwa für das Gegenteil zu erwärmen vermag – dem rate ich schleunigst mir zu folgen.«
    Und mit diesen Worten wandte er seinen breiten Rücken und sprach nicht ein Wort mehr, sondern machte lange energische Schritte gegen den Wald zu. Und da warfen all die übrigen noch einen Blick scheel über die Achsel zurück und sahen, wie die schwarze Wolke all der Männer sich von der Station da drüben loslöste und mit einer mysteriösen Disziplin über die Ebene herstrebte. Und sahen noch, mit unbewaffnetem Auge, schwarze Flecken auf den vordersten Gesichtern – und das waren die Masken, die sie aufhatten. Und ... wandten sich dann gleichfalls und folgten ihrem Führer, der den Wald fast erreicht hatte ... und verschwanden unter dem blitzenden Laub.
    Die Sonne über dem Gras war trocken und heiß. Wie sie in den Wald eintauchten, tauchten sie in kühlen Schatten ein, so wie ein Taucher in dunkles Wasser. Der Wald war angefüllt mit zersprengtem Sonnenlicht und irrendem Schatten. Es war als wie ein erzitternder Schleier – wie das Flimmern und Flirren und Flattern eines Kinematographen. Sogar die Gestalten, die mit Syme hinschritten, waren kaum mehr zu unterscheiden vor dem Lichtgepladder und Schattengewirbel. Jetzt – jetzt eben war der Kopf irgendeines der Herren angeleuchtet wie mit Rembrandtschem Licht und alles übrige wie ausradiert; jetzt wieder hatte einer ganz ganz weiße Hände und das Gesicht dabei von einem Schwarzen. Der Ex-Marquis hatte seinen alten Strohhut über die Augen herabgezogen und der schwarze Schatten der Krempe schnitt sein Gesicht so winkelrecht ab, als trüge er so wie seine Verfolger eine schwarze Halbmaske. Das war Futter für Symes längst schon überheizte Nerven. Trug jener eine Maske? Trug jeder eine Maske? War jeder irgendwer? ... Dieser Zauberwald, in dem die Gesichter abwechselnd schwarz und weiß wurden, in dem die Gestalten im Sonnenlicht anschwollen und dann wieder in formlose Nacht sich auflösten, dieses chaotische Helldunkel (nach der Prügelsonne von draußen) schien Syme ein erschöpfendes Symbol für die Welt, in der er seit drei Tagen schon hin und her geworfen wurde, für die Welt, darin Männer ihre Bärte oder Brillen oder Nasen abnahmen und sich in ganz andere Menschen verwandelten. Das tragische Selbstvertrauen, das ihn erfüllte, als er glaubte, daß der Marquis ein Teufel sei, war seltsamlich geschwunden nun, da er wußte, daß der Marquis ein Freund war. Und er hätte am liebsten nach all den Entsetzensszenen nun gefragt: was denn eigentlich ein Freund sei und was ein Feind. War da irgend etwas, das gar nicht das war, was es schien? Der Marquis hatte nur seine Nase abgenommen – und schon war er ein Detektiv gewesen. Konnte er nicht gerad so gut jetzt seinen Kopf abnehmen – und ein Kobold sein? War nicht jedes Ding am Ende so wie dieser Irrgarten von einem Wald, wie dieser Tanz von Dunkel und Licht? Jedes Ding nur ein flüchtiger Schimmer und Schein, und jeder Schimmer unvorhergesehen und jeder Schein danach vergessen...
    Gabriel

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