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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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besonderen Grund?»
    «Ja, ich wollte eigentlich fragen, ob du mich heute Abend abholen kannst. Nach der Party. Wir wussten nicht, ob du schon wieder zu Hause bist, also hat Mama gesagt, ich soll dich anrufen und nachfragen.»
    «Wenn ich zu Hause wäre, täte ich es gern.»
    «Ist schon gut. Mama holt mich. Ich sollte nur mal fragen.»
    «Was ist es für ein Fest?»
    «Eine Verkleidungsparty.»
    «Und als was gehst du?»
    «Als Teenie.»
    Torkel hatte eine dumpfe Ahnung, was sich hinter diesem Begriff verbarg. Er war mit der Wahl der Verkleidung seiner Tochter nicht ganz glücklich, andererseits war er auch nicht vor Ort, um das zu verhindern oder eine kreative Alternative beizusteuern. Außerdem würde Yvonne schon dafür sorgen, dass alles im Rahmen blieb, davon war er überzeugt. Im Unterschied zu der Scheidung von Monica war die von Yvonne positiv verlaufen. So positiv Scheidungen eben sein konnten. Sie waren sich einig gewesen, dass sie keine gute Beziehung führten. Er war fremdgegangen. Sie auch, da war er sich sicher. Beide wollten voneinander los, auch zu Vilmas und Elins Bestem. Tatsächlich verstanden sie sich jetzt besser als während ihrer Ehe.
    «Okay. Grüß Mama von mir und amüsier dich gut.»
    «Mache ich. Sie lässt auch grüßen. Wir sehen uns, wenn du wieder da bist.»
    «Ja. Ich vermisse dich.»
    «Ich dich auch. Tschüss.»
    Torkel beendete das Gespräch und wandte sich wieder Hanser zu.
    «Das war meine Tochter.»
    «Das habe ich mir gedacht.»
    Torkel steckte das Handy zurück in seine Innentasche.
    «Und du hast einen Sohn, oder? Wie alt ist der jetzt?»
    Hanser zauderte. Obwohl sie diese Situation in den letzten sechs Jahren schon so häufig erlebt hatte, zögerte sie mittlerweile immer mehr, über ihren Sohn zu sprechen. Anfangs hatte sie ehrlich geantwortet, wie es war, aber die Leute waren jedes Mal so offensichtlich peinlich berührt gewesen, und nach einem qualvollen Schweigen oder krampfhaften Versuchen, das Gespräch am Leben zu halten, hatten sie schnell einen Anlass gefunden, sich zu verabschieden. Also beantwortete sie die Frage, ob sie Kinder hatte, jetzt meistens einfach mit Nein. Das war am unkompliziertesten, und noch dazu stimmte es. Sie hatte keine. Nicht mehr. Torkel wusste allerdings, dass sie Mutter gewesen war.
    «Er ist tot. Niklas starb vor drei Jahren. Mit vierzehn.»
    «O nein, das tut mir leid. Ich wusste ja nicht … es tut mir so leid.»
    «Nein, woher hättest du das auch wissen sollen?»
    Hanser wusste aus Erfahrung, was Torkel jetzt dachte. Das, was sich alle fragten, wenn sie hörten, dass Niklas gestorben war. Vierzehnjährige fallen normalerweise nicht einfach tot um. Es musste etwas passiert sein. Aber was? Alle wollten erfahren, was geschehen war. Torkel stellte keine Ausnahme dar, dessen war Hanser sich sicher. Die Ausnahme war allerdings, dass er tatsächlich fragte.
    «Wie starb er?»
    «Er wollte eine Abkürzung nehmen. Über eine Lok. Er kam zu nah an die Oberleitung.»
    «Ich kann nicht einmal ansatzweise ahnen, wie das für dich und deinen Mann gewesen sein muss. Wie habt ihr das durchgestanden?»
    «Wir haben es nicht durchgestanden. Es heißt, dass achtzig Prozent der Paare, die ein Kind verlieren, sich scheiden lassen. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass wir zu den anderen zwanzig Prozent gehören, aber leider ist es nicht so.» Hanser nahm einen weiteren Schluck Wein. Es war leicht gewesen, es Torkel zu erzählen. Leichter, als sie gedacht hatte.
    «Ich war so wütend auf ihn. Auf Niklas. Er war vierzehn. Ich weiß nicht, wie oft wir schon von Jugendlichen gelesen hatten, die auf dem Dach eines Zuges verbrennen. Jedes Mal sagten wir, sie hätten es besser wissen müssen. Sie waren Teenager. Einige von ihnen fast erwachsen. Und Niklas stimmte uns zu. Er wusste, dass es gefährlich war. Lebensgefährlich. Und trotzdem … Ich war so wütend auf ihn.»
    «Das ist verständlich.»
    «Ich fühlte mich wie die schlechteste Mutter der Welt. In jeglicher Hinsicht.»
    «Auch das ist verständlich.»
    Die Kellnerin kam mit einem Teller in jeder Hand zu ihrem Tisch. Das hätte ein Anlass sein können, sich schweigend der Mahlzeit zu widmen. Aber sie unterhielten sich beim Essen angeregt weiter, und nach einigen Minuten dachte Torkel, dass sie nach dem Essen bedeutend mehr voneinander wissen würden als vorher. Er lächelte in sich hinein. Es war schön, wenn so etwas passierte.

H araldsson saß in seinem grünen Toyota vor Axel Johanssons Haustür

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