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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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vielleicht, ich weiß nicht … Sie hatte den Eindruck, dass du irgendwas hast.»
    «Vanja sollte sich lieber auf ihre Arbeit konzentrieren.»
    Sebastian stand auf, ließ die Zeitung liegen, nahm aber seinen Pappbecher mit und zerknüllte ihn. «Und du solltest nicht auf den ganzen Scheiß hören, den man dir erzählt.»
    Sebastian ging und warf den Pappbecher im Vorbeigehen in den Mülleimer neben der Tür. Torkel blieb allein zurück. Er atmete tief durch. Was hatte er auch erwartet? Er hätte es besser wissen sollen. Sebastian Bergman ließ sich nicht analysieren. Und damit war auch seine mögliche Gesellschaft für ein Abendessen gestorben. Billy und Vanja würden arbeiten, und an Ursula war nicht zu denken. Aber er wollte beileibe nicht noch einen einsamen Restaurantbesuch durchstehen. Er holte sein Handy hervor.
    Nachdem Sebastian den Pausenraum verlassen hatte, ging er mit schnellen Schritten durch das dunkle Großraumbüro. Er war sauer. Auf Torkel, auf Vanja, am allermeisten jedoch auf sich selbst. Noch nie hatte Sebastian einem Kollegen das Gefühl vermittelt, dass er «irgendwas hatte». Nie zuvor hatte jemand überhaupt ahnen können, was er dachte. Das Einzige, was sie über Sebastian wussten, war das, was er zuließ. Nur auf diese Weise war er zu seiner Position gekommen. An der Spitze. Bewundert und gefürchtet.
    Aber im Auto hatte er sich entblößt. Die Kontrolle verloren. Eigentlich auch bei Lena Eriksson zu Hause, wenn er genauer darüber nachdachte. Völlig inakzeptabel. Es war die Schuld seiner Mutter. Ihre Schuld und die Schuld der Briefe. Er war gezwungen, zu einer Entscheidung zu kommen, wie er die Sache weiter angehen würde. Momentan beeinflusste sie ihn mehr, als er sich erlauben durfte.
    Im Konferenzraum brannte noch Licht. Durch das Glas hindurch konnte Sebastian Billy an seinem aufgeklappten Laptop arbeiten sehen. Sebastian wurde langsamer und blieb stehen. Jedes Mal, wenn er während des heutigen Tages an Anna Eriksson gedacht hatte, war er zu dem Entschluss gekommen, dass er auf sein Vorhaben pfeifen sollte. Es gab zu wenig zu gewinnen, zu viel zu verlieren. Aber konnte er das wirklich? Konnte er einfach vergessen, was er erfahren hatte, und so weiterleben, als wäre nichts geschehen? Vermutlich nicht. Außerdem würde es wohl nicht schaden, ihre Adresse zu besitzen, wenn er sie denn herausfinden konnte. Dann hatte er später immer noch die Möglichkeit, sich neu zu entscheiden. Sie nutzen oder wegwerfen. Hingehen oder sich fernhalten. Er konnte sogar dort hinfahren und das Terrain ein wenig sondieren. Sehen, was für Leute da wohnten. Sich einen Eindruck verschaffen, wie man ihm begegnen würde, wenn er sich zu erkennen gab. Er traf eine Entscheidung. Es wäre einfach nur dumm, sich nicht alle Möglichkeiten offenzuhalten.
    Sebastian trat in das Büro. Billy sah von seinem Computer auf.
    «Hallo.»
    Sebastian nickte ihm zu, setzte sich und streckte die Beine aus. Er zog die Obstschale zu sich heran, die auf dem Tisch stand, und nahm sich eine Birne. Billy hatte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Computer gerichtet.
    «Was machst du gerade?»
    «Ich sehe mir Facebook und ein paar andere soziale Netzwerke an.»
    «Und das erlaubt dir Torkel während der Arbeitszeit?»
    Billy guckte über den Bildschirmrand, lachte und schüttelte den Kopf.
    «Keine Chance. Ich suche nach Roger.»
    «Und, was gefunden?»
    Billy zuckte mit den Achseln. Es kam darauf an, wie man die Sache betrachtete. Er hatte Roger zwar gefunden, aber darüber hinaus nichts von Interesse.
    «Er war nicht besonders aktiv. Er hatte ja keinen eigenen Computer, und es ist mehr als drei Wochen her, dass er etwas auf Facebook geschrieben hat. Eigentlich auch kein Wunder, dass er dort nicht mehr gemacht hat. Er hatte sechsundzwanzig Freunde.»
    «Ist das wenig?» Natürlich wusste Sebastian, was Facebook war, er hatte die letzten Jahre nicht in einer einsamen Höhle gelebt, aber er hatte nie den Anreiz verspürt, herauszufinden, wie es genau funktionierte oder wie man selbst Mitglied – oder wie auch immer das hieß – wurde. Er hatte auch keine Lust, mit ehemaligen Schulkameraden oder Arbeitskollegen Kontakt zu halten. Allein der Gedanke daran, dass sie ihn «als Freund einladen» und ihn mit ihrer schmierigen Nähe und albernen Trivialität nerven würden, ermüdete ihn völlig. Im Gegenteil, er arbeitete aktiv daran, mit niemandem etwas zu tun zu haben, ob nun im wirklichen oder im virtuellen Leben.
    «Sechsundzwanzig

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