Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
Vom Netzwerk:
unmittelbarer Nähe geparkt hatte. Billy fühlte sich plötzlich wie ein Idiot. Er hatte den Kardinalfehler begangen, die Deutungsmöglichkeiten des Beweismaterials einzuschränken. Er hatte sich bei der Suche an ein bestimmtes Muster geklammert, anstatt die Tür für neue Möglichkeiten offenzuhalten. Bis hierher war Roger von einer Kamera zur nächsten gelaufen. Weiter und weiter. Anschließend hatte Billy immer wieder danach gesucht, wo Roger weiterging. Zur nächsten Kamera.
    Jetzt, da Billy alles neutral noch einmal betrachtete, begriff er, dass es auch andere, höchst wahrscheinliche Szenarien gab. Möglicherweise war das Auto nicht einfach abgestellt worden und keineswegs leer. Es war denkbar, dass derjenige, der den Wagen sechs Minuten vor Rogers Ankunft geparkt hatte, die ganze Zeit darin sitzen geblieben war. Billy sah nur einen Teil vom hinteren Kotflügel und konnte unmöglich ausmachen, ob jemand ausstieg oder nicht, aber er klickte sich dennoch zu dem Bild von Roger zurück und ließ den Film laufen. Er versuchte sich vorzustellen, dass er das Band zum ersten Mal sah. Unbelastet.
    Roger kam von der rechten Seite ins Bild, ging einige Schritte geradeaus und überquerte dann die Straße. Billy hielt das Bild an. Ging rückwärts Bild für Bild durch. Da! Plötzlich drehte Roger seinen Kopf zu etwas, das links von ihm war. Als ob irgendeine Sache seine Aufmerksamkeit gefesselt hätte. Dann erst überquerte er die Straße. Billy ließ den Film noch einmal laufen. Neutral gesehen konnte er die Situation nun auch so interpretieren, dass Roger hinter das Auto und auf die Beifahrertür zugegangen war.
    Billy holte tief Luft. Keine weiteren übereilten Schlüsse. Er musste alles ordentlich kontrollieren und sich auf das Bild und das Auto konzentrieren. Es sah aus wie ein Volvo. Dunkelblau oder schwarz. Kein Kombi, sondern eine Limousine. Nicht das neuste Modell, eher aus den Jahren 2002 bis 2006, das würde er noch genauer herausfinden müssen, aber definitiv eine viertürige Volvo-Limousine. Billy ging Bild für Bild durch und konzentrierte sich auf nichts anderes als das Auto. Siebenundfünfzig Sekunden und sechs Bilder nach Rogers Verschwinden entdeckte Billy etwas, das er vorher nicht bemerkt hatte. Eine kurze, leichte Erschütterung des Autos, so, als hätte jemand die Autotür zugeschlagen. Es war nicht deutlich sichtbar, und vielleicht irrte er sich auch. Aber das ließ sich schnell nachprüfen.
    Billy lud die Sequenz in ein einfaches Bildprogramm mit Bewegungsstabilisator. Er konnte davon ausgehen, dass sich die festinstallierte Überwachungskamera nicht bewegte und somit alle eventuellen Bewegungen von Objekten im Bild herrühren mussten. Billy markierte schnell ein paar Bewegungspunkte auf der Metallkante des Kotflügels über dem Hinterreifen. Bei Zeitabschnitt 00.57.06 bewegten sich die Punkte definitiv einige Millimeter, um sich dann etwas unterhalb des Ausgangspunktes wieder zu stabilisieren. Jemand öffnete eine Autotür, stieg ein und schloss sie mit Schwung wieder. Die veränderte Stabilisierung der Punkte deutete darauf hin, dass das Auto danach schwerer war. Jemand war eingestiegen und hatte sich gesetzt. Vermutlich Roger.
    Billy sah auf die Uhr. Bald halb eins. Es war nie zu spät, um Torkel anzurufen. Torkel würde sich eher darüber beschweren, wenn er
nicht
anrief. Er holte sein Handy hervor und wählte eine Kurzwahl. Während er darauf wartete, dass sein Chef dranging, betrachtete er das Bild auf dem Monitor. Der neue Handlungsverlauf würde einiges erklären.
    Roger tauchte nicht auf anderen Kameras auf, weil er nicht weitergegangen war. Er hatte sich in einem dunklen Volvo befunden. Vermutlich auf dem Weg in den Tod.

L ena Eriksson saß auf demselben Stuhl wie Billy vor gut sieben Stunden und sah sich verwundert um. In dem kleinen Raum waren viele Menschen versammelt. Lena kannte sie alle bereits von früheren Begegnungen, bis auf den jungen Polizisten, der vor den beiden großen, ausgeschalteten Bildschirmen mit der Tastatur beschäftigt war.
    So viele Polizisten konnte nur eines bedeuten: Es war etwas Wichtiges geschehen.
    Das hatte sie bereits in dem Moment gespürt, als es an ihrer Tür klingelte, und ihr Gefühl hatte sich seither nur verstärkt. Es war 6:45 Uhr gewesen, als sie sich nach langem Klingeln endlich aus dem Bett gequält und müde die Tür geöffnet hatte. Die junge Polizistin, die einige Tage zuvor bei ihr gewesen war, hatte sich erneut vorgestellt und schnell und

Weitere Kostenlose Bücher