Der Mann, der nicht geboren wurde
höre mich an! Der Kreis liegt
zerborsten, das Mammut zerschlagen. Ich, Riban
Leribin, und der Nachlassverwalter des Mammuts , Trenc
Weraly, bringen dir ein Kind als Opfer, auf dass du diejenigen, die deiner Wut
entgehen konnten, verschonen möchtest.«
Rodraeg glaubte plötzlich einen Fehler in Ribans Plan festzustellen.
Kannte DMDNGW nicht den Namen Trenc Weraly, nachdem
dieser ihn achtundvierzig Jahre lang verfolgt hatte? Würde er nicht deshalb
eine Falle wittern? Oder hatte er seine Feinde nie zur Kenntnis genommen, weil
für ihn nicht achtundvierzig Jahre, sondern kaum zehn Monde vergangen waren?
Nein. Vielleicht war Riban doch schlauer als der Mann .
Selbst wenn der Mann Weraly kannte, musste er ihn für
alt und schwach halten, nicht ahnend, dass Riban ihm nun Kraft zuführen würde.
Ribans Worte zeitigten jedenfalls keinerlei Wirkung. Der
aufgekommene Wind erstarb wieder. Himmel und Zirkel blieben unverändert.
Rodraeg wusste auch nicht, was er erwartete. Einen leibhaftigen Tsekoh, der
gleiÃend und donnerberstend in einem Blitz zur Erde ritt?
Dann begann Ribans Verwandlung. Er fing tatsächlich an, kleiner zu
werden. Seine Knochen und Gelenke knackten. Rodraeg konnte aus seiner Position
Ribans Gesicht nicht sehen, aber er ahnte, dass es schmerzverzerrt war. Der
ohnehin schon unnatürlich schnelle Verjüngungsprozess beschleunigte sich
nochmals um ein Vielfaches, bis sich vor Rodraegs geweiteten Augen ein bizarres
Wunder abspielte. Riban schrumpfte, wurde zum Sechsjährigen, zum Vierjährigen,
zum Kleinkind, zum Krabbler. Der Krabbler riss beide Hände hoch, wie um sich zu
schützen. Einer der groÃen Zehn , ein selbst ernannter
Erbe der Götter, nahm so seinen ängstlich nach einer nicht vorhandenen Mutter
greifenden Abschied von der Welt. Rodraegs Sicht wurde verschleiert, denn ihm
standen Tränen in den Augen.
Gleichzeitig zuckte und bebte Weralys Greisenkörper, als würde er
von Krämpfen geschüttelt. Der alte Oberst legte sich nun auf die Seite, in eine
möglichst stabile Lage, um dem Eindringen unnatürlicher Kräfte, die durch die
Verbindungslinie in ihn rasten, überhaupt standhalten zu können. Auch sein
Gesicht verzerrte sich zu einem lautlosen, hässlichen Schrei.
Rodraeg begriff in diesen Augenblicken, dass Magie etwas Schreckliches
war. Vielleicht war Magie der Anfang von allem Ãbel, das die Menschen je
befallen hatte. Magie gehörte den Göttern. Waren Menschen überhaupt jemals
befugt gewesen, über eine solche Kraft zu verfügen? Musste sie nicht verzerren,
verstümmeln, verheeren?
Aber Rodraeg erinnerte sich auch an Eljazokad, den milden,
wohlmeinenden Lichtmagier, der niemals eine Waffe getragen hatte, auch nicht in
höchster Not. Zarvuers Sohn und somit so etwas wie Ribans Erbrivale. Aber
irgendetwas war bei Eljazokad und Naenn und auch bei Estéron geglückt, das so
in dieser reinen Form bei Riban niemals Halt gefunden hatte. Macht ohne
Korruption. Kraft, die zu Verständnis führt, dazu, sich treiben und alles
geschehen zu lassen, niemals zum herrischen Lenkenwollen.
Riban war nun ein Neugeborenes, er schrie krähend mit klaffendem,
zahnlosen Mund. Wo waren die Zähne hin? Ausgefallen und zu Wasserdampf
zerplatzt? Aufgelöst zu wucherndem Zahnfleisch? Hatte Riban sie verschlucken
müssen? Rodraeg wusste es nicht und würde es auch nie erfahren. Alles, was er
wusste, war, dass Oberst Weraly nun handeln musste, sonst würde Riban noch
weiter schrumpfen, bis er sinnlos als Zellhaufen im Boden versickerte.
Doch Weraly rührte sich nicht, konnte sich wohl gar nicht mehr
bewegen. Sein Körper zuckte und schlackerte unkontrollierbar, das Gesicht war
eine einzige schlotternde Qual.
Alles war umsonst. Alles war schiefgelaufen.
Ribans Opfer ein schreckliches Schauspiel, das keinem anderen Zweck
diente, als Rodraeg bis zum Ende seines Lebens Albträume zu bescheren.
Rodraeg lieà das Glasgefäà achtlos fallen und rannte hinter seiner
Deckung hervor. Warum sollte er sich auch verstecken? Der Mann würde ja ohnehin nicht erscheinen. Er lief zum Oberst und berührte ihn.
Die Berührung sandte ein leichtes Zittern durch Rodraegs Fingergelenke, lieÃ
sich aber ertragen. »Oberst Weraly, Ihr müsst Euch jetzt beeilen!«, mahnte
Rodraeg und packte den Alten fester. Ein Teil der magischen Energie lief wie
Schauer durch Rodraegs Leib. Es fühlte sich schrecklich an,
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