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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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rückwärts aus dem Bereich des Geschehens, als der magische
Kreisraum immer ausladender zu zucken begann. Risse wurden sichtbar. Ein
Überbeanspruchen von mühsam aufrechterhaltenem Zusammenhalt.
    Schließlich zerbarst das gesamte Gebilde mitsamt seinen Insassen.
Bläulich, rötlich, violett sprengten halb durchsichtige Trümmerstücke
auseinander. Rodraeg wurde von einer eigentümlichen, warm nach Hühnereiern
riechenden Druckwelle erfasst und angehoben und erst beinahe im Bereich des
Uferschlicks wieder zu Boden gelassen. Der Kinderkopf Riban Leribins kullerte
in anderer Richtung davon. Ächzend prallte Rodraeg auf, rollte sich, so gut er
konnte, ab. An ihm vorüber trudelten Teile von Leibern und Rädern,
Schwungfedern und weiteren, höchstens aus hauptstädtischen Fabrikationen
geläufigen mechanischen Konstruktionen durch die Luft und platschten heiß
zischend ins Wasser. Mit beiden Händen schützte Rodraeg seinen Kopf, bis das
letzte Trümmerstück gelandet war. Dann blickte er sich um.
    Die Bruchteile des magischen Radraumes lösten sich auf zu intensiv
nach Rost riechendem und auch tatsächlich rötlichen Rauch. Die Trümmer des
Stuhles, auf dem DMDNGW gesessen hatte, zerfielen zu
weißgrauer Asche wie mürbe gewordene Knochen. Von den beiden Kontrahenten war
nichts mehr geblieben. Auch von Riban war nichts mehr zu sehen, die Druckwelle
hatte Leib und Kopf erfasst und außer Reichweite gepeitscht. Lediglich das
Kurzschwert steckte noch dort im Sand, wo Rodraeg es hineingerammt hatte – wie
ein bescheidenes Denkmal des gesamten unfassbaren Geschehens.
    Der überlastete Trenc Weraly und der unreife Mann,
der nicht geboren wurde hatten aufgehört zu existieren, hatten sich
gegenseitig aus der Welt herausgekürzt.
    Rodraeg sah ein Schiff auf dem Larnus und brachte sich, immer noch
leicht benommen, tiefer im Uferwald in Sicherheit.
    Später versuchte er, sich alles
als einen Traum zu erklären. Aber er trug immer noch den blauen Umhang und
darunter nichts als die Kerkerkluft, und er war immer noch ein Häftling, der
seinem Prozess entflohen war und der deshalb im gesamten Kontinent verfolgt
werden würde.
    Vielleicht würde man eines
Tages das Skelett eines geköpften Neugeborenen im Unterholz finden und ihm auch
diese Ungeheuerlichkeit in die Schuhe schieben, aber das war ihm jetzt egal.
Immerhin Naenn, Nemialé und Cajin waren jetzt sicher. Auch Tjarka hatte
keinerlei Nachstellungen mehr zu befürchten. Des Weiteren Gerimmir, Eria,
Emmeron Uliseus, Yoich Barsen und all die anderen unbekannten Opfer und Täter,
deren Schicksale der Mann, der nicht geboren wurde zu einem bluttriefenden Gesamtkunstwerk verknüpft hatte.
    Selbstverständlich war nicht alles
gut. Bestar würde von der Garde durch den gesamten Kontinent gehetzt werden.
Hellas würde man in Endailon aufknüpfen. Eljazokad, Estéron, Ilde Hagelfels,
Trenc Weraly und Riban Leribin waren tot, desgleichen Gauden Endreasis, der
nach dem wenigen, was Rodraeg über ihn erfahren hatte, ein guter und fähiger
Stadtgardekommandant gewesen war. Raukar trieb immer noch sein Unwesen.
Wellingor Deterio würde weiterhin an seiner Vergiftung zugrunde gehen, bis
nichts mehr von ihm übrig war, das noch an einen vernunftbegabten Menschen
erinnerte. Rodraeg war nun – wie Bestar – ein Geächteter auf der Flucht.
Möglicherweise würde sogar Baladesar Divon durch ihre Freundschaft politische
Nachteile erleiden. Das Haus des Mammuts war verloren, wahrscheinlich mitsamt allen Besitztümern
darin von der Stadtgarde längst versiegelt.
    Mehr als alles andere in der Welt wünschte sich Rodraeg, dorthin
gehen zu können, um Naenns an ihn gerichteten Abschiedsbrief zu lesen. Aber das
war nicht möglich, sondern würde ihn nur in die Arme der Garde zurückführen.
Nicht einmal Tjarka konnte er jetzt noch gefahrlos erreichen, um ihr
mitzuteilen, was geschehen war. Höchstens vielleicht, wenn sich eine
Gelegenheit ergab, über einen Boten, den er in den Würfelbecher schickte.
    Es würde schwierig genug werden, sich mit den nur vierzig von Riban
erhaltenen Talern durchzuschlagen. Vielleicht würde er doch das Kurzschwert an
sich nehmen müssen, wenn auch nur, um es zu Geld zu machen.
    Zuallererst musste Rodraeg eine unverdächtigere Kleidung auftreiben,
auch das würde schon schwer werden.
    Und wohin würde er sich danach

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