Der Mann der nicht zu hängen war
Todesurteil in lebenslängliche Haftstrafe um. 22 Jahre später wird John Lee begnadigt und entlassen. Er heiratet sogar noch — und stirbt schließlich 1945 eines natürlichen Todes.
Auf dem Sterbebett hat er das Geheimnis verraten. Denn es hatte natürlich kein Wunder sein Leben gerettet, sondern allein die Geschicklichkeit von Frank Ross, dem Tischler: Genau an der Stelle nämlich, wo der Geistliche bei der Hinrichtung zu stehen pflegte, hatte er ein Brett angebracht, das sich immer dann um einige Zentimeter verschob, wenn jemand darauf stand — einige Zentimeter nur, aber die reichten aus, die Fallklappe zu blockieren. Nun, bei den Proben hatte der Geistliche nicht auf seinem vorgesehenen Platz auf dem Bretterboden des Galgengerüsts gestanden. Da hatte die Fallklappe funktioniert. Aber bei jedem Hinrichtungsversuch tat das Brett seinen Dienst. Der Geistliche hatte dem Delinquenten sozusagen an der richtigen Stelle beigestanden.
Es war übrigens das letzte Mal, daß die Justizverwaltung in England einen Häftling mit der Errichtung eines Galgengerüsts beauftragte.
Die Nacht der Spione
A uf dem Flughafen eines benachbarten Landes, zu einer Zeit, da die meisten Zöllner träumen, klingelt das Telefon. Eine Stimme verlangt dringend den Chef der Zollstation zu sprechen. Obwohl die Stimme gedämpft klingt, hört sie sich ganz offiziell an. Jedenfalls zieht sie alle Register: dies und jenes Ministerium, dort das Sekretariat, da die Anordnung von Oberst XY!
»Die Maschine aus Zürich, Flug 1027, soll um 1 Uhr 04 bei Ihnen landen. Richtig?«
»Richtig.«
»Haben Sie die Passagierliste?«
»Ja..., sicher.«
»Darauf müßte eine Frau B. stehen — als Transitpassagier nach Schweden. Es handelt sich um die Frau des Militärattachés hier im Ministerium. Wir haben folgenden Befehl für Sie: Die Dame muß gründlichst durchsucht werden. Sie wird verdächtigt, äußerst wichtige Dokumente bei sich zu haben. Die Sache ist ernst. Es geht um die Staatssicherheit. Aber seien Sie sehr feinfühlig. Gründlich, aber mit Takt! Das Ministerium verläßt sich auf Sie. Ich erwarte* Ihren persönlichen Bericht!«
»Jawohl. Ich habe verstanden.«
Der Chef des Flughafen-Zollbüros steht stramm wie bei einer Parade und legt mit ernster Miene den Hörer wieder auf. Und während die Maschine aus Zürich — Flug 1027 — mit aufheulenden Turbinen zur nächtlichen Landung ansetzt, bereitet sich die Elite der örtlichen Zollstation darauf vor. Frau B. ihre längste Nacht zu bescheren.
Frau B. ist in jeder Hinsicht eine Dame von beachtlicher Bedeutung. Würde und Gewicht. Und ausgerechnet sie hält man nun für eine Spionin? Gewiß, Spione sehen aus wie du und ich. Es gibt große und kleine, dicke wie dünne, und natürlich gibt es auch Wölfe im Schafspelz. Frau B. könnte also tatsächlich eine Spionin sein.
Der Zollstationsvorsteher beobachtet von seinem Büro aus mit einem Feldstecher, wie sie die Rolltreppe herunterkommt — und er ist wirklich beeindruckt vom mondänen Auftreten dieser mutmaßlichen »Mata Hari«. Die angehende Fünfzigerin im Pelzmantel wirkt sehr damenhaft. Auf einem Arm trägt sie ihr Hündchen, in der anderen Hand ihren Schminkkoffer. Und so betritt sie wie eine Diva die Transithalle.
Von diesem Augenblick an sitzt sie in der Falle, ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben. Nach einigen Minuten kommt eine sehr liebenswürdige Stewardeß auf sie zu und erklärt ihr mit jener dezenten, harmonischen Stimme, die auf allen Flughäfen der Welt die Gäste empfängt oder verabschiedet: »Entschuldigen Sie, gnädige Frau. Aber Ihre Maschine kann erst in ein paar Stunden wieder starten. Wir haben da ein kleines technisches Problem. Nichts Ernstes, aber die Überprüfung wird ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Würden Sie mir bitte Ihren Gepäckschein geben, damit wir Ihre Koffer ausladen. Unsere Gesellschaft wird alles tun, Sie so bald wie möglich — und selbstverständlich auch bevorzugt — auf eine andere Maschine umzubuchen. Aber es wird nicht leicht sein, alle Flüge sind ausgebucht!«
Frau B. ist einerseits verärgert über die Verspätung, andererseits fühlt sie sich aber geschmeichelt durch die freundliche Sonderbetreuung. Die anderen Passagiere müssen selber schauen, wie sie zurechtkommen. In Anbetracht ihrer Stellung verwundert diese Bevorzugung Frau B. nicht zu sehr, denn sie ist ein treuer, regelmäßiger Fluggast dieser Linie. Ihre Kinder wohnen in Schweden, und sie besucht sie
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