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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Aufstellung einer Fußballmannschaft mit Foto sowie die Ergebnisse eines Anglerwettbewerbs des Vereins »Die fröhlichen Genfer«. Die erste Seite der »Tribune de Genève«, verwischt, gedruckt in Spiegelschrift und Regenbogenform — auf dem Po einer sehr ehrbaren Dame.
    Ein unglaubliches Dokument —mit Verlaub.
     

Die Bärenfellmütze
     
    A m 23.April 1938, frühmorgens, hallt ein Schrei durch alle Gänge des Landsitzes der Mac Redfords in Schottland. Der Schrei ist so laut und so schrill, daß der Kristallüster im Haupttreppenhaus zu klirren beginnt. Sogar die Vögel verstummen. Der Unruhestifter heißt Sir Yonnel Mac Redford. Sein Kopf ist vor Zorn scharlachrot angelaufen, und schwankend hält er sich am Treppengeländer fest. Ein gequälter, heiserer Ton entringt sich seiner Kehle: »Wer hat es gewagt!« Von allen Seiten öffnen sich die Türen.
    »Wer hat das getan?! Wer hat es gewagt!« wiederholt Sir Yonnel immer wieder und ringt nach Luft.
    Erschrocken fragt sich die ganze Familie, was für ein abscheuliches Verbrechen den Patriarchen denn wohl in einen derartigen Zustand versetzt haben könnte. Da vernimmt man aus seinem Stöhnen: »Die Bärenfellmütze von Großvater Reginald ist verschwunden!« Diese Bärenfellmütze von Großvater Reginald gehört zum ruhmreichen Erbe der Mac Redfords. Großvater hat schließlich einst an der Schlacht von Waterloo teilgenommen, und die Mütze hat er getragen, als ihm der rechte Arm von einer französischen Kanonenkugel abgerissen wurde! Augenzeugen wollen sogar gesehen haben, daß Sir Reginald sich darauf erhob und mit der linken Hand den Säbel wieder aufnahm, den seine einige Meter entfernt liegende Rechte noch hielt!
    So eine Mütze, die solch ein Held getragen hat bei einer derart berühmten und weltbewegenden Schlacht, ist kostbare Trophäe! Und heute morgen, als Sir Yonnel durch den Gang kam, um sich nach unten zum Frühstück zu begeben, stellte er fest, daß die Vitrine geöffnet und die Pelzmütze entwendet worden war.
    Familie und Personal sind sprachlos. Niemand will die kostbare Reliquie angerührt haben. Was sollte man auch damit anfangen? Eine alte Pelzmütze, selbst, wenn sie die Ehre Englands bei Waterloo verteidigte, hat keinen besonderen Wert — und tragen könnte man sie auch nicht mehr, heute, 1938!
    Daraus schließt Mac Redford, mit dem Diebstahl sei die Absicht verbunden, seine Familie zu beleidigen, ja zu demütigen. Und erneut brüllt er los: »Der Dieb hat uns herausgefordert! Die Mac Redfords müssen die Herausforderung annehmen oder in Schande zugrundegehen. Ich appelliere an alle Angehörigen unseres Blutes — an alle, die sich mit uns solidarisch fühlen!«
    Am nächsten Morgen ist die um den Frühstückstisch versammelte Familie leider keinen Schritt weitergekommen. Die Pelzmütze bleibt verschwunden. Nach dem Frühstück verlassen alle das Speisezimmer. Elisabeth — Sir Yonnels Gattin — nimmt das Dienstmädchen Mary beiseite: »Mary, ich vermisse unsere Tischbürste. Wissen Sie vielleicht, wo sie sein könnte?«
    Marys verdutzte Miene ist an sich schon Antwort genug: »Die Tischbürste? Ich habe sie nicht... Die muß wie immer im Mahagoni-Silberschrank sein.«
    Mary schaut selbst nach, um ihr Gewissen zu beruhigen, muß aber gleich feststellen, daß Mrs. Redford recht hat: Die große, sichelförmige Tischbürste aus elisabethanischer Zeit ist verschwunden. Das ist ein weiterer schwerer Schlag für die Mac Redfords. Die schöne Tischbürste mit ihrer massiven Silberfassung war den Großeltern Charles und Catherine von Königin Victoria persönlich zur Hochzeit geschenkt worden!
    Wieder versammelt der Patriarch die Familie im Salon. Und mit demselben kämpferischen Elan, der ihn einst schon im Burenkrieg ausgezeichnet hatte, wendet er sich an seine Truppen: »Ich schwöre, daß ich den Schuldigen bis Sonntag ausfindig gemacht habe, oder ich will hinfort nicht mehr Redford heißen!«
    Damit stürzt sich Sir Yonnel in seine Ermittlungen. Und sehr bald erweist sich, daß der Dieb sich nicht nur auf solche Erbstücke beschränkt hat: Ein jeder stellt fest, daß irgendwelche, meist harmlose Kleinigkeiten verschwunden sind: die Kleiderbürste zum Beispiel, die an der Garderobe aufgehängt war, der Besen der großen Diele im zweiten Stock, die Kaminbürste — usw.
    Als Sir Yonnel auch noch eine Haarbürste auf die Liste der vermißten Gegenstände setzt, kommt ihm plötzlich die Erkenntnis: »Unglaublich, aber ich denke, ja, ich bin ganz

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