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Der Mann, der sein Leben vergaß

Der Mann, der sein Leben vergaß

Titel: Der Mann, der sein Leben vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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laut und fest. »In einer Woche – oder es wird uns allen für immer ein großes, schreckliches Rätsel bleiben.«
    Als die Jacht ›Anita‹ am Pier des Lissaboner Hafens vertäut wurde, sprang Primo Calbez mit der Leichtigkeit eines Sportsmannes an Bord.
    Erstaunt trat ihm Dr. Albez entgegen.
    Die Anwesenheit eines Fremden auf der Jacht und das Fehlen Anitas am Kai erweckte in ihm ein merkwürdiges Gefühl von Angst und kommender, unbegreiflicher Gefahr. Höflich nickte er dem kecken Besucher zu und stellte sich ihm in den Weg.
    »Was führt Sie zu mir?« fragte er und betrachtete ihn aufmerksam.
    Ein Sportsmann, dachte er dabei. Kräftig, elastisch – muß Muskeln wie Stahl haben.
    Primo Calbez, der blitzschnell erkannte, daß er dem Gesuchten gegenüberstand, lächelte sein blendendstes Lächeln.
    »Mein Name ist Traverno. Reporter der Portugaler Staatszeitung, Lissabon. Ich hätte gern ein Interview mit Ihnen.«
    »Mit mir?« Dr. Albez staunte ehrlich. »Ich wüßte nicht, was an mir so interessant ist!«
    »Oh, nicht diese Bescheidenheit!« Primo Calbez klappte sein geheimnisvolles Taschenbuch auf und begann zu schreiben. Dabei redete er in einem fort. »Bescheidenheit ist eine Zier, doch sie nützt nichts! Gar nichts, Señor! Sie sind doch Schriftsteller?!«
    »Allerdings!«
    »Na also! Nichts geht über die Reklame eines guten Interviews! Was meinen Sie dazu?«
    »Ich meine, daß es im Augenblick wichtiger ist, meine Jacht in den Hafen zu steuern, nach Hause zu fahren und auszuschlafen«, antwortete Dr. Albez etwas schroff. »Morgen stehe ich Ihnen dann zur Verfügung.«
    »Morgen, morgen! Wer verschiebt, schädigt seine Börse! Morgen stehen Sie schon in den Blättern. Mit Bild: José Biancodero zurück von der Weltreise!«
    Dr. Albez lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Gut gebrüllt, Löwe, sagte Shakespeare. Aber Weltreise ist Illusion. Ich komme von Amsterdam.«
    »Aha! Amsterdam!« Primo Calbez notierte. »Sie kennen Amsterdam gut?«
    »Es geht. Ich war einige Male dort.«
    »Was macht eigentlich Pieter van Brouken?«
    Calbez beobachtete die Wirkung seiner Überrumpelung von unten herauf wie ein Raubtier und wartete auf eine blitzschnelle Reaktion des Gesichtes. Doch nichts geschah – nur großes Staunen drückten die Züge Dr. Albez' aus.
    »Pieter van Brouken? Fangen Sie mit der dummen Affäre auch wieder an? Wie soll ich wissen, was der macht?! Er ist doch tot!«
    »So sagt man.«
    »Und er geht mich auch nichts an!«
    »Eben, eben! Schwamm drüber! Was machen Sie in Amsterdam?«
    Dr. Albez wurde bei dieser beiläufig gesagten Frage vorsichtig und hellhörig. Einen Augenblick dachte er daran, daß dieser Reporter ein Kriminalbeamter sei, der dem Medikamentenschmuggel auf der Spur war, doch dann verwarf er den Gedanken und lächelte Primo Calbez an. Diesem gefiel dieses Lächeln gar nicht, und ihm wurde ungemütlich.
    »Was macht man schon in einer fremden, schönen Stadt? Was würden Sie dort tun?«
    Calbez sann einen Augenblick nach. Raffinierter Hund, dachte er. Er will mich fangen. Na warte, Bürschchen!
    »Ich würde vielleicht nach netten Mädchen Ausschau halten«, sagte er dann.
    »Sie Genießer!«
    »Oder Freunde und Bekannte besuchen.«
    »Nicht übel.«
    »Und Sie, Señor Biancodero?«
    Dr. Albez klopfte Calbez auf die Schulter und blickte ihm schelmisch in die Augen.
    »Ich würde genau das tun, was Sie auch in einer fremden Stadt machten. Darin gleichen wir Männer uns alle wie Zwillinge. Eine Verbeugung im voraus vor Ihrer Fantasie. Schreiben Sie, was Sie wollen. Geglaubt wird ja doch nur die Hälfte! Und die genügt völlig. Und im übrigen muß ich an Land!«
    Damit drückte er Calbez sanft zur Seite und eilte die Laufbrücke hinunter auf den Kai. In einer Telefonzelle nahe einem Lagerschuppen verschwand er.
    Der Detektiv, der sich völlig entgeistert plötzlich allein sah, begriff im selben Augenblick die günstige Situation. Mit einigen großen Sprüngen rannte er zu der Tür der Laderäume, knipste eine kleine Taschenlampe an, stolperte die steile Treppe hinab und stand in einigen weiten, leeren Sälen, die mit Blech ausgeschlagen waren und deutlich die Spuren vor kurzem ausgeladener Waren zeigten. Schnüffelnd wie ein Spürhund eilte Calbez durch die Laderäume und stieß in einem kleinen Nebenraum auf eine kleine, geöffnete Kiste mit grauen, flachen Schachteln aus Pappe. Als er sie öffnete, pfiff er leise durch die Zähne und steckte einige Schachteln in die weiten Taschen

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