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Der Mann, der sein Leben vergaß

Der Mann, der sein Leben vergaß

Titel: Der Mann, der sein Leben vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seines Sommersakkos. Nachdenklich knipste er die Taschenlampe aus.
    Dann hastete er den Weg zurück, sprang mit langen Sätzen über den Laufsteg an Land und verschwand zwischen dem Gewirr der Schuppen und Holzkontore.
    Im gleichen Augenblick öffnete sich die Telefonzelle und Dr. Albez stürzte heraus.
    Er schien erschreckt, verwirrt und ziemlich ratlos zu sein. Sein Gesicht war blaß, die Haare hingen ihm in die Stirn. Er schaute sich nicht nach dem Reporter um, sondern rannte zur Kommandobrücke und befahl, die Jacht vom Pier abzulegen.
    Während die kleine, verschworene Mannschaft das Schiff abtaute und es rückwärts aus dem Hafen manövrierte, saß Dr. Albez in dem kleinen Kartenhaus auf der Kommandobrücke und stützte den Kopf in beide Hände.
    Er fühlte einen dumpfen Druck im Herzen. Als er vorhin anrief, war Professor Destilliano am Apparat. Seine Stimme klang zitterig und brüchig, als er befahl, die Jacht 40 Kilometer weiter oberhalb Lissabons in einer Privatbucht anzulegen. Dann drang Anitas Stimme dazwischen, er wollte ihren Namen rufen – da hörte er ein Röcheln, und die Verbindung brach ab.
    Es ist etwas geschehen, jagte es durch seinen Kopf. Schon daß sie nicht am Hafen stand, war merkwürdig! Aber was geschehen sein mochte, konnte er sich nicht erklären. Er fühlte nur eine große Angst im Herzen, eine drückende, bleierne Angst.
    Langsam glitt die Jacht aus dem Hafen.
    Hinter einem Segelschiff in einem starken Motorboot wartete Primo Calbez.
    Als Anita nach einiger Zeit hinunter in das Arbeitszimmer ihres Onkels ging, fand sie Professor Destilliano betend in der dunklen Ecke vor dem Kruzifix. Sein langes weißes Haar war nach vorn gefallen, seine Gestalt war zusammengesunken und zerfallen.
    Ein unendliches Mitleid stieg in Anita auf. Sie wollte zu ihm hinstürzen, ihn um Verzeihung bitten, ihn küssen, ihm alles, alles versprechen, sie wollte mit sich ringen und den Zauber des Giftes vergessen. Doch sie kam nicht dazu. Als Professor Destilliano sie in das Zimmer treten hörte, sprang er auf und schoß auf Anita zu. Kurz vor dem Mädchen blieb er stehen und suchte zitternd Halt an einer Sessellehne.
    Er ist ein Greis, mußte Anita plötzlich denken, ein Greis … ein alter, klapperiger Mann innerhalb von zwei Stunden.
    »Ich wollte dir nicht weh tun, Onkel«, sagte sie leise und senkte die Augen, doch sie wagte es auch nicht, näher zu treten. »Ich habe nicht gewußt, daß das Mittel so schlimm ist!«
    »Du hast es nicht gewußt, nein, du konntest es auch nicht wissen. Aber ich … ich …!« Er schrie. »Ich habe es gewußt und Millionen damit in das Unglück gestürzt! Ja, ja … das ist der Fluch Gottes … die Vergeltung des Himmels … O Anita, kleine, liebe, reine Anita … ich bin ein Schuft …«
    »Onkel!« Das Mädchen schrie auf und legte entsetzt die Hand auf den Mund.
    Destilliano schüttelte den Kopf und winkte gebrochen ab.
    »Nicht nur ein Schuft … Anita … ein Mörder, ein tausendfacher, heimlicher, schleichender, gemeiner, hinterlistiger, feiger Mörder!« Er setzte sich und schob Anita einen Stuhl zu. Bebend, mit starren, entsetzt aufgerissenen Augen fiel das Mädchen auf den Sitz und war stumm vor Angst und Grauen. »Ich habe heute eine Rechnung zu begleichen«, sagte Professor Destilliano leise. »Eine Rechnung, die du mir überreichtest. Gott straft langsam, doch gerecht. Doch daß Er dich als Preis einsetzt, ist mehr als alle Höllen, Anita … wenn du jemals eine Bestie unter den Menschen sahst, so ist es hier dein Onkel …
    Seit 10 Jahren, Anita, ist dein Onkel Ricardo, der bekannte Gelehrte Professor Destilliano, der größte Rauschgiftschmuggler Westeuropas! Um dir einmal ein Leben ohne Sorge zu hinterlassen, um mir die letzten Jahre wie ein Märchen zu vergolden, verkaufte ich die Seelen von Millionen und mordete Tausende durch die viehische Kraft des schleichenden Giftes des Rausches. Meine Verbindungen zum Ausland als führender Bakteriologe Portugals verschafften mir die Möglichkeiten, mein logisches Gehirn wurde die Zentrale eines weiten Netzes. Nach 3 Jahren kleinlichster Vorarbeit, nach einem mörderischen Kampf mit der Konkurrenz um den Absatzmarkt begann im großen Stile der ›Import‹. Kokain aus Peru, Opium aus Indien, China und Iran, Morphium aus Italien, Heroin aus der Türkei. Aber das alles genügte mir noch nicht! Ich hatte Blut gerochen, Blut in Form von Geld, und dieses Geld lockte … lockte … Es war ein Taumel, eine Trance des

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