Der Mann, der sich in Luft auflöste
Referent.«
»Nun«, fuhr der Referent fort, »wie dem auch sei, das Ergebnis dieses Gesprächs war, dass wir inoffiziell Kontakt zur Polizei aufgenommen haben, mit dem Ergebnis, dass Sie heute hier sind. Willkommen, übrigens.«
Sie gaben einander die Hand. Martin Beck konnte noch keine rechte Logik in der Sache erkennen. Er rieb sich bedächtig die Nasenwurzel.
»Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz«, sagte er. »Warum hat der Verlag die Sache nicht auf dem üblichen Weg angezeigt?«
»Das werden Sie gleich verstehen. Der Chefredakteur, der übrigens auch Herausgeber des Blattes ist, wollte bei der Polizei weder eine Vermisstenanzeige erstatten noch eine offizielle Ermittlung beantragen, weil die Sache dann sofort ruchbar würde und die übrige Presse Wind davon bekäme. Matsson ist ein Mitarbeiter dieser Zeitschrift, und er ist auf einer Recherchereise im Ausland verschwunden, deshalb betrachtet das Blatt diese Nachricht zu Recht oder Unrecht als ihre eigene. Der Chefredakteur wirkte zwar ziemlich besorgt um Matsson, machte andererseits aber auch keinen Hehl daraus, dass er einen Knüller wittert, der die Auflage seiner Zeitschrift auf einen Schlag um vielleicht hunderttausend Exemplare hochtreibt. Falls Sie die generelle Linie dieses Blattes kennen, werden Sie sich ja vorstellen können ... Nun, wie dem auch sei, einer ihrer Mitarbeiter ist verschwunden, und dass dies ausgerechnet in Ungarn passiert ist, macht die Nachricht nicht schlechter.«
»Hinter dem Eisernen Vorhang«, sagte der Rothaarige mit Grabesstimme.
»Wir benutzen solche Ausdrücke eigentlich nicht«, sagte der Referent.
»Nun, ich hoffe, Sie begreifen, was das Ganze bedeutet. Wenn die Sache angezeigt wird und in die Zeitungen gelangt, ist das schlimm genug, auch wenn die Geschichte dann möglicherweise auf angemessene Weise und einigermaßen reell behandelt würde. Doch wenn das Blatt alles für sich behält und es zu eigenen meinungsbildenden Zwecken verwendet, dann weiß der Himmel, was ... Es könnte jedenfalls wichtigen Beziehungen schaden, in deren Aufbau sowohl wir als auch andere viel Zeit und Mühe investiert haben. Der Chefredakteur dieses Blattes hatte die Kopie eines fertigen Artikels dabei, als er am Montag hier war. Wir hatten das zweifelhafte Vergnügen, den Text zu lesen. Falls er veröffentlicht wird, wäre das in gewisser Hinsicht die absolute Katastrophe. Sie hatten tatsächlich vor, ihn schon in der Ausgabe dieser Woche zu bringen. Wir mussten unsere gesamte Überredungskunst aufbieten und alle denkbaren ethischen Normen ins Feld führen, um die Veröffentlichung zu verhindern. Es endete damit, dass uns der Chefredakteur ein Ultimatum gestellt hat. Falls Matsson sich nicht aus freien Stücken meldet oder falls wir ihn nicht vor Ablauf nächster Woche ausfindig gemacht haben ... ja, dann platzt die Bombe.« Martin Beck massierte sich den Haaransatz. »Das Blatt stellt vermutlich eigene Nachforschungen an«, sagte er.
Der Referent sah geistesabwesend seinen Vorgesetzten an, der jetzt heftig an seiner Pfeife zog.
»Ich habe den Eindruck, dass die Anstrengungen des Blattes in diesem Punkt recht bescheiden sind. Und die Aktivitäten in dieser speziellen Hinsicht vorläufig auf Eis gelegt wurden. Im Übrigen hegen sie dort nicht den geringsten Zweifel, wo Matsson sich derzeit befindet.«
»Aber der Mann scheint unbestreitbar verschwunden zu sein«, sagte Martin Beck.
»Genau. Und das ist sehr beunruhigend.«
»Er kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben«, warf der Rothaarige ein.
Martin Beck stützte den linken Ellbogen auf die Tischkante, ballte die Hand zur Faust und drückte die Nasenwurzel an die Knöchel. Das Bild vom Dampfer, von der Insel und dem Steg wurde zunehmend diffuser und entfernte sich immer mehr. »Wie komme ich ins Spiel?«, fragte er.
»Das mit der Polizei war unsere Idee, aber wir wussten natürlich nicht, dass man gerade Sie schicken würde. Wir können die Sache nicht aufklären, am allerwenigsten binnen zehn Tagen. Egal, was passiert ist, ob der Mann sich aus irgendeinem Grund versteckt hält, ob er sich das Leben genommen hat, ob ihm ein Unglück zugestoßen ist oder was auch immer, es ist ein Fall für die Polizei. Ich meine, diese Aufgabe kann nur von einem Fachmann gelöst werden. Deshalb haben wir, ganz inoffiziell, Kontakt zur Polizeiführung aufgenommen. Jemand scheint Sie empfohlen zu haben. Jetzt geht es im Großen und Ganzen nur darum, ob Sie die Sache übernehmen wollen. Ihr
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