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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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spürte plötzlich, wie alles unter ihm versank, er mit dem Fuß ins Leere trat. Die Arme flogen hoch und suchten Halt, während der Boden zerbarst. Mit einem Schrei merkte er, wie die Beine frei in der Luft zappelten, während der Körper schwer durch die verkohlten Bodenreste sank und ins Erdgeschoss hinunterschoss.
    Die Frau presste sich an die Wand, klammerte sich an einem rußigen Holzriegel fest. Auf zitternden Beinen kroch sie zurück zur Treppe.
     
    Esaias lag wimmernd im heruntergefallenen Gerümpel auf dem Rücken. Seine Hand war merkwürdig gegen einen breiten Balken gepresst. Die Frau entdeckte ihn, als sie sich vorbeugte. Den Nagel. Er war auf ihn gefallen, die Spitze hatte sich durch seine linke Hand gebohrt und ragte jetzt mitten in der Handfläche heraus, gebogen und grob wie ein Armierungseisen.
    »Hilf mir«, keuchte er. »Auta minua …«
    Die Stirn voller Schweißtropfen. Er versuchte sich loszureißen, doch der Schmerz ließ ihn zusammensinken, ihm war schwindlig und übel.
    »Ich muss los«, murmelte die Frau.
    »Nein!«
    »Ich muss das hier verlassen … Tornedalen.«
    Zögernd ging sie durch die Küche mit den verkohlten Schranktüren, Plastikteppichen, die geschmolzen waren und sich wie braungelbe Hautlappen wölbten.
    »Verdammt, hilf mir!«
    Sie betrachtete ihre Küche ein letztes Mal. Der Körper erinnerte sich. All das Brot, das sie gebacken hatte, all der Kaffee, den sie am Fenster stehend getrunken hatte. Der Einmachtopf. Die blubbernde heiße Himbeermarmelade, die langsam aufstieg, bevor sie in rotem Schaum zerplatzte.
    »Weißt du, warum die Frauen aus Tornedal wegziehen? Weißt du das? Kannst du raten, wonach sie sich sehnen?«
    »Eine Zange! Scheiße, hol mir eine Kneifzange!«
    Märta Kallio zögerte. Ging dann zum Kühlschrank. Der Griff hatte sich gelöst, aber sie konnte die Tür mit einem Brotmesser öffnen. Die Plastikleiste war klebrig, schwarz und zäh, und sie wich vor dem Matsch zurück, der heraussickerte. Doch dann fand sie die Glasflasche und zog den Korken heraus. Stellte sie neben ihn. Er schnupperte daran und nahm einen kräftigen Schluck. War kurz vorm Spucken, musste erst einmal abwarten.
    »Kleidergeschäfte«, stöhnte er. »Ihr sehnt euch nach Schuhgeschäften.«
    »Ich fahre jetzt weg. Bitte, such nicht nach mir.«
    »Warte!«
    »Du kannst mich nicht aufhalten. Ich werde nicht mehr zurückkommen, Esaias. Das muss so sein, ich werde nie wieder hier leben.«
    Esaias hustete den sauren Schnapsgeschmack weg und spürte, wie der erste prickelnde Rausch ins Blut ging, wie der Schmerz in der Hand eine Spur erträglicher wurde.
    »Es war Martin Udde, oder? Er ist der Vater von Pettersson?«
    Sie blieb zögernd stehen. Holte die Autoschlüssel aus der Jackentasche. Sah, wie sein Blut um den Nagel gerann.
    »Es wird bald jemand kommen und dir helfen«, sagte sie. »Warte, bis ich unterwegs bin.«
    »Du kannst nicht einfach so abhauen!«
    »Wonach wir uns sehnen«, fuhr sie fort. »Wonach wir Frauen uns hier oben am meisten sehnen, das ist zu verschwinden.«
    »Was?«, rief er.
    »Zu verschwinden.«
    Sie ging hinaus auf die Treppe und war fort. Er biss die Backenzähne so fest zusammen, dass sie knirschten, und packte mit der rechten Hand die festgenagelte linke Hand. Nahm Anlauf mit dem ganzen Körper. Dann zog er. Eine blinde, weiße Flamme durchschnitt die Welt, und mit einem Brüllen fiel er auf die Seite und verlor das Bewusstsein.
     
    Märta Kallio blieb auf dem Vorhof stehen. Der Regen hatte inzwischen fast aufgehört. Alles war grau, nass, voll mit Tropfen. Das Herbstgras, die nackten Zweige der Eberesche. Das Autodach, in dem sich der Himmel spiegelte.
    All das sehe ich zum letzten Mal, dachte sie. Es erscheint mir unwirklich. Weit dort unten breitete sich der See aus. Sattajärvi. Sie war als Kind in ihm geschwommen. Hatte darin nach verrotteten Wurzeln getaucht. Das Humuswasser wie ein Schleier um den Kopf, ein lederbraunes Diadem. Haarfisch. Vogelfisch.
    Jetzt fahre ich. Doch der Platz hielt sie zurück. Er ließ nicht los. Die kleine Drehbewegung des Autoschlüssels im Handgelenk. Wie ein Schwimmzug.
    Sie ging in den Vorratsschuppen. Lauschte dem leisen Trommeln auf dem Blechdach. Fingernägel, die ununterbrochen klopften. Da stand der abgestellte Morris auf einigen Paletten, die Räder in der Luft. Der alte Kühlschrank in unzeitgemäßem Orange, das Zementrohr, das sie immer zu einem Räucherofen eingraben wollte, aber nie dazu gekommen war, die

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