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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Mikrowelle, die andere aus dem Kühlschrank.
    Sie hielt ihren Teller hin, während er auffüllte. Zuerst ein paar Löffel heißes, bernsteinfarbenes Kompott. Dann die kleinen, kalten weißen Würfel.
    »Ist das wirklich welcher? Tatsächlich?«, fragte sie und probierte.
    »Ja«, nickte er.
    »Kaffeost.«
    »Den habe ich in Kangos gekauft.«
    »Und Moltebeerenkompott. Von Zuhause?«
    »Von Martin. Ich habe ein paar Gläser aus seinem Vorratskeller mitgenommen.«
    Sie zögerte. Schloss dann die runzligen Augenlider und genoss, wie die Moltebeerensüße in den Gaumen eindrang, in die alte Zunge. Goldenes Sonnenlicht. Sie saß da mit Martins Kompott im Mund, Beeren, die von Martins Fingerspitzen abgezupft worden waren, eine nach der anderen. Es war noch etwas von ihm übrig. Man konnte fast sagen, ein Geschmack. Sie ließ die Kaffeost-Würfel in die Tasse fallen. Goss den heißen, starken Kaffee darüber. Ihr Handgelenk wurde leicht steif, als sie die Tasse hob und schlürfte. Dann verharrte sie so. Die Tasse an den Lippen, der Blick weit, weit in der Ferne. Zuerst dachte er, es wäre das Rheuma. Dann merkte er, dass sie weinte.
    Verwirrt aß er das Kompott und kaute den knirschenden Weißkäse.
    »Die Beerdigung«, sagte er vorsichtig. »Ich habe mir was überlegt. Ich denke, wir könnten den Elefanten nehmen. Ich habe gesehen, dass er unter dem Jungen hohl ist, die Urne würde da hineinpassen.«
    Sie starrte ihn stumm an. Noch ein Apfel fiel, Rascheln und ein Plumpsen.
    »Wir könnten Martin in seinem Elefanten mit dem Jungen begraben«, wiederholte Jan Evert.
    »In dem Elefanten?«
    »Ja, in dem Elefanten. Unter dem kleinen schwarzen Jungen. Ich glaube, das würde ihm gefallen.«
    Die Mutter nickte leicht. Hielt ihren Teller hin. Sie wollte mehr.
     

53
     
    Vorsichtig griff Märta Kallio zur Klinke, die Finger schlossen sich um die vertraute Form. Langsam drückte sie sie hinunter. Die Tür war vom Feuer verzogen und schwer zu öffnen, das Öl in den Scharnieren von der Hitze zu Teer gekocht worden. Einen Moment lang blieb sie in der Türöffnung stehen, als fürchtete sie, das Haus könnte über ihr zusammenfallen. Wie in Fernsehbildern nach einer Erdbebenkatastrophe. Gebäude, die sich verzogen, verdrehten, herabhängende Wohnungsebenen, aus denen heruntergerutschte Möbelteile gedrückt wurden. Ein Alphabet, das umgeworfen worden war, das nicht mehr gelesen werden konnte.
    Märta Kallio trat zwei Schritte in die Verwüstung hinein, jetzt war sie im Haus. Dennoch wurde sie weiterhin nass vom Nieselregen, das Dach war zum Teil eingestürzt und hatte einen großen Lichtschacht geschaffen. Der graue Himmel wrang sein Wischtuch im Gerümpel aus und verbreitete eine unangenehme Kälte. In der Luft war etwas Durchsichtiges, etwas Gläsernes, das die Sinneseindrücke verwirrte, als schaute man aus nächster Nähe durch eine Flasche.
    Und dann der Geruch. Der Brandgestank. Dass ein Haus so eklig riechen konnte. Dünste, die die ganze Zeit schon dort gewesen sein mussten, verborgen, eingeschlossen hinter Schranktüren und Gardinenstangen, in Kabeln, Lackfarbe und Glasfiberrollen. Sie hatte sie nicht bemerkt, sie waren versteckt gewesen. Doch jetzt waren sie freigekommen. Das Feuer hatte alle Poren geöffnet und die Dinge dazu gezwungen, zu schwitzen. Und jetzt wurde sie davon umgeben, vom Todesgeruch, ein schwarzer, salziger Geschmack, der Übelkeit verursachte und sie dazu brachte auszuspucken.
    Es war zu sehen, dass die Polizei hier gewesen war. Geräte waren aus den Steckdosen gezogen worden, hier und da hatten sie mit einer Brandaxt zugeschlagen. Ein Teppich war in der Küche zur Seite gezogen, unter ihm leuchtete der Holzfußboden erstaunlich weiß, ein fast unbeschadetes Rechteck auf der verkohlten Fläche. Sie ging hin und beugte sich hinunter. Zog sich den Handschuh aus und strich mit den Fingerspitzen über den gefirnissten Boden.
    Doch. Sie erkannte es wieder. Hier hatte sie gewohnt.
    Die Treppe zum Obergeschoss war teilweise zusammengebrochen, der Handlauf war aus Plastik, er war geschmolzen und verdreht, ringelte sich wie eine makabre Königskobra an der Wand entlang, an mehreren Stellen von der Hitze gekappt, an anderen Stellen angeschwollen, mit dickem Bauch. Sie machte einen vorsichtigen Schritt und merkte, wie der Treppenstummel unter ihren Füßen schaukelte. Kleine schwarze Flocken rieselten vom Dach herunter.
    »Ruhig!«, dachte sie. »Jumalan rauha …«
    Noch ein Schritt. Alles würde

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