Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry
war und gerade nach ihrem Schlafanzug greifen wollte, pochte es hart an der Tür. „Was ist?“ fragte sie erschreckt.
„Mach auf!“ hallte es von draußen herein. „In meiner Wohnung werden keine Türen verriegelt. Heute habe ich noch zu bestimmen. Morgen kannst du tun, was du willst.“
Evelyn rührte sich nicht von der Stelle. Sie schlüpfte hastig in den Schlafanzug. Sie wich in die hinterste Ecke des Zimmers zurück.
„Wird’s bald?“ hallte es von draußen herein. „Was soll denn diese Komödie? Bei dem ändern bist du sicher nicht so keusch gewesen. Er mußte nicht vor der Tür warten, wie? Ihm hast du dich an den Hals geworfen. Einem verfluchten Mörder . . .“
Evelyn wartete jeden Moment darauf, daß er die Tür aufbrechen würde. Angstvoll starrte sie auf die Klinke. Verstört überlegte sie, ob der Riegel halten würde. Dann hörte sie auf einmal, daß Oliver sich entfernte. Er ging in das gemeinsame Schlafzimmer hinüber. Hart fiel die Tür hinter ihm zu. Dann war Stille. Hoffentlich kommt er nicht mehr zurück, dachte sie beklommen, während sie ins Bett schlüpfte. Gleich darauf löschte sie das Licht. Es wurde dunkel um sie. Ihre Angst verebbte allmählich.
Eine halbe Stunde etwa lag sie noch wach. Dann glitt sie von einer Minute zur ändern in einen leichten Schlaf hinüber. Oliver Bloom dagegen lag wach. Er starrte aus brennenden Augen in die Finsternis. Hinter der Stirn hämmerten ruhelos die Gedanken. Vielleicht habe ich alles falsch gemacht, sinnierte er. Was nützt es mir, wenn ich sie fortjage. Ich brauche sie doch. Ich begehre sie mehr noch als früher. Wie soll ich leben ohne sie? Sie war der Inhalt meiner Tage. Sie ist eigentlich immer eine gute Kameradin gewesen. Bis auf dieses letzte halbe Jahr . . .
Und weiter dachte er: Vielleicht ist es wirklich nur eine Verirrung gewesen. Sicher würde sie so etwas nie wieder tun. Ich glaube ihr auch, daß sie keine Ahnung hatte, wer Joseph Hatten in Wirklichkeit war. Sie wußte bis zuletzt nichts von seinen gemeinen Verbrechen. Sie hielt ihn für einen ehrenhaften Mann. Er stahl sich in ihr Vertrauen. Er betörte sie mit klingenden Worten. Und sie . . . sie fiel wie ein ahnungloses Mädchen darauf herein. Die Gedanken zerstoben. Ein Geräusch verscheuchte sie. Draußen im Korridor erklangen leise Schritte. Sie hielten auf das Schlafzimmer zu. Jetzt waren sie vor der Tür. Die Klinke bewegte sich knarrend nach unten. Oliver Bloom fuhr hastig aus den Kissen auf. Das ist sie, dachte er in seltsamer Erregung. Sie kommt und will sich versöhnen. Sie will mir noch einmal eine Brücke bauen. Diesmal werde ich sie nicht abweisen. In Wirklichkeit habe ich ja schon die ganze Zeit auf sie gewartet.
„Evelyn?“ fragte er leise in die Dunkelheit. „Komm! Wir wollen vergessen,, was heute Abend war. Ich habe es bereits bereut. Ich sehe ein, daß Haß und Streit zu nichts führen. Wir sollten uns lieber überlegen, wie wir doch noch gemeinsam einen neuen Anfang . . .“
Seine Worte erstickten in einem Gurgeln. Er konnte den Satz nicht mehr zu Ende sprechen. Er brachte überhaupt keine Silbe mehr hervor. Zwei würgende Hände schnürten ihm die Luft ab. Sie gruben sich wie scharfe Klauen in seinen Hals, drosselten seine Kehle und lähmten die Schlagadern. Zappelnd versuchte sich Oliver Bloom freizumachen. Er war kaum noch bei klarem Verstand. Ein schwarzer Gespensterreigen tanzte vor seinen Augen. Gequält und gefoltert bäumte sich sein Körper auf. Er versuchte, um sich zu schlagen. Er wollte sich von dem gräßlichen Druck auf seiner Brust befreien. Aber die Hände an seinem Hals hielten fest wie mordgierige Zangen. Sie ließen nicht mehr von ihm ab und hielten ihn umklammert, bis kein Leben mehr in ihm war.
3
Evelyn Bloom schlief ungestört bis in den Morgen hinein. Sie erwachte um sieben Uhr. Vor den Fenstern stand ein grauer Septembermorgen. Es regnete. Man sah kaum etwas von dem verhangenen Herbsthimmel. Evelyn Bloom erhob sich unglücklich von ihrem Lager. Mein Gott, dachte sie, was wird das für ein Tag werden. Ich weiß ja nicht einmal, wohin ich gehen soll. Hier hatte ich immerhin noch eine Heimat, wenn sie auch friedlos und sorgenvoll war. Aber draußen erwartet mich eine völlig fremde Welt. Man wird mich anfeinden und mir die Liebschaft mit Joseph Hattan nie verzeihen. Für die Freundin eines [Mörders wird kein Mensch ein gutes Wort übrig haben. Wie soll ich jemals eine Stelle finden und eine Unterkunft. Sie kleidete
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