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Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Höflichkeit, um ein Stück Papier aufzuheben, das neben dem Geistlichen am Boden lag. Einen Dank erhielt ich nicht für meine Mühe.
    Ohne es zu wollen, hatte ich die Worte auf dem Zettel gelesen.
    Versuchen Sie nicht, auf eigene Faust vorzugehen, oder Sie we r den es bereuen !
    Nette kleine Drohung für einen Geistlichen! Langsam interessiert es mich wirklich, wer dieser Kerl ist. Er sieht so harmlos aus wie Milch und Honig, aber das Aussehen kann trügen. Ich muss Pagett fragen, Pagett weiß alles.
    Ich nahm in meinem Liegestuhl neben Mrs Blair Platz und unterbrach dadurch ihr Tête-à-Tête mit Race. Als ich sie einlud, am Kostümfest mit mir zu speisen, brachte er es irgendwie fertig, die Einladung auch auf sich zu beziehen.
    Nach dem Essen setzte sich Miss Beddingfeld zu uns. Ich hatte Recht, ihre Beine sind wirklich die schönsten an Bord, und ich werde sie ebenfalls zum Dinner einladen.
    Was mag wohl Pagett in Florenz zugestoßen sein? Jedes Mal wenn von Italien gesprochen wird, verliert er die Nerven. Wüsste ich nicht, wie unglaublich korrekt er ist, müsste ich annehmen, er habe sich dort auf eine peinliche Liebesaffäre eingelassen. Manchmal werden selbst die hölzernen Männer… Es wäre köstlich! Pagett als schuldbewusster Wüstling!

13
     
    Es war ein merkwürdiger Abend. Das einzige Kostüm, das sich für meine Figur auftreiben ließ, war ein Teddybär. Ich habe nichts dagegen, an einem kalten Winterabend in England bei ein paar hübschen Mädchen den Bären zu spielen – aber für den Äquator ist das nicht das richtige Kostüm. Immerhin, es sorgte für Belustigung.
    Mrs Blair hatte sich geweigert, in einem Kostüm zu erscheinen, und Race schloss sich natürlich ihrem Beispiel an. Anne Beddingfeld erschien als Zigeunermädchen und sah reizend aus. Pagett behauptete, Kopfschmerzen zu haben, und ließ sich nicht blicken. An seiner Stelle bat ich einen komischen kleinen Kerl namens Reeves an unseren Tisch. Er ist ein prominentes Mitglied der südafrikanischen Arbeiterpartei. Ein schrecklicher Mensch, aber ich will ihn bei guter Laune halten, denn er kann mir wichtige Informationen geben. Ich möchte die Geschichte über jenen Streik im Rand von beiden Seiten hören. Der Tanz war eine heiße Angelegenheit. Zweimal forderte ich Anne Beddingfeld auf, aber es macht ihr sichtlich kein Vergnügen. Einmal tanzte ich mit Mrs Blair, die noch weniger Freude daran zeigte, und dann mit ein paar anderen hübschen Mädchen.
    Zum Essen um Mitternacht bestellte ich Champagner. Und damit hatte ich das Einzige getroffen, das die Zunge von Colonel Race zu lösen vermochte. Der Mann wurde direkt geschwätzig, und schließlich merkte ich, dass er sich zum Mittelpunkt meiner Gesellschaft gemacht hatte. Er lachte mich aus, weil ich ein Tagebuch führe.
    «Eines schönen Tages werde ich all Ihre düsteren Geheimnisse ausplaudern, Pedler», spottete er.
    «Mein lieber Race», entgegnete ich, «ich bin nicht ganz der Narr, für den Sie mich halten. Wenn ich Geheimnisse habe, dann schreibe ich sie nicht schwarz auf weiß nieder. Nach meinem Tod wird man wohl meine Ansichten über verschiedene so genannte ‹Berühmtheiten› erfahren, aber nicht das Geringste, das mich selber herabsetzen könnte. Ein Tagebuch ist gut dafür, die kleinen Charakterfehler anderer Leute festzuhalten, doch niemals seine eigenen.»
    «Es gibt so etwas wie unbewusste Selbstoffenbarung.»
    «Für den Psychoanalytiker sind alle Wesen schlecht», sagte ich salbungsvoll.
    «Sie müssen sicher ein sehr interessantes Leben geführt haben, Colonel Race», warf die kleine Beddingfeld ein.
    Das lenkte den Burschen ab, und er begann Geschichten von Löwenjagden zu erzählen. Ein Mann, der mannigfaltige Abenteuer mit wilden Tieren erlebt hat, genießt einen unbilligen Vorteil anderen Sterblichen gegenüber. Schließlich fand ich es an der Zeit, auch meinen Beitrag an Jägerlatein zu leisten.
    «Das erinnert mich übrigens», ergriff ich das Wort, «an eine sehr unterhaltsame Geschichte, die ich gehört habe. Einer meiner Freunde machte einen Jagdausflug irgendwo in Ostafrika. Eines Nachts verließ er sein Zelt – und hörte plötzlich ein lautes Brüllen. Erfuhr herum und sah sich zu seinem Entsetzen einem Löwen gegenüber, der ihn gerade anspringen wollte. Mein Freund hatte sein Gewehr im Zelt gelassen; aber wie der Blitz duckte er sich, und der Löwe sprang über ihn hinweg. Wütend fauchte er und setzte zum zweiten Sprunge an. Wieder duckte er sich –

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