Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
erkannten Sie also den Mann, der Sie um Hilfe bat?» Ich nickte nur.
    «Das verwickelt also Sir Eustace zum zweitenmal in dieses Durcheinander. Diese Ausländerin wird in seinem Haus ermordet, und es ist sein Sekretär, der einen Dolchstich erhält. Ich verdächtige Sir Eustace natürlich nicht, aber das kann kein Zufall sein. Irgendein Zusammenhang muss bestehen, wenn wir ihn auch noch nicht erkennen können. Und dann diese Geschichte mit der Nachtstewardess», schloss sie gedankenvoll. «Wie sah sie denn aus?»
    «Ich habe sie kaum beachtet. Ich war ja so aufgeregt und gespannt, und ihr Erscheinen bedeutete eine solche Enttäuschung! Aber… doch, ich glaube, ihr Gesicht kam mir irgendwie bekannt vor. Nur weiß ich nicht, wo ich sie gesehen haben könnte.»
    «Es war aber bestimmt eine Frau, nicht etwa ein verkleideter Mann?»
    «Sie schien recht groß für eine Frau», gab ich zu.
    «Hm; wohl kaum Sir Eustace, und auch nicht Pagett… halt!»
    Sie nahm ein Stück Papier und einen Bleistift zur Hand und begann fieberhaft zu zeichnen. Dann begutachtete sie ihre Arbeit. «Die Ähnlichkeit mit Reverend Edward Chichester ist gut getroffen. Nun alles Drum und Dran – so!» Sie reichte mir das Blatt. «Ist das Ihre Stewardess?»
    «Ganz genau!», rief ich begeistert. «Suzanne, wie klug von Ihnen!»
    Sie wies das Kompliment mit einer Handbewegung ab.
    «Dieser Chichester hat schon lange mein Misstrauen erweckt. Erinnern Sie sich, wie er käsebleich wurde und seine Tasse fallen ließ, als wir kürzlich den Namen Crippen erwähnten?»
    «Und er wollte unbedingt Kabine siebzehn haben!»
    «Ja, soweit passt alles ganz gut zusammen. Aber was b e deutet es? Was sollte um ein Uhr nachts in Ihrer Kabine geschehen? Ob der Sekretär auf dem Weg zu einer Verabredung war, die der Täter verhindern wollte? Doch mit wem? Möglicherweise mit Chichester oder Pagett.»
    «Das halte ich für unwahrscheinlich», wandte ich ein. «Pagett kann er jederzeit sehen und sprechen.»
    Ein paar Minuten saßen wir schweigend da, dann nahm Suzanne eine neue Fährte auf.
    «Wäre es möglich, dass in Ihrer Kabine etwas versteckt ist?»
    «Nicht ausgeschlossen», antwortete ich. «Das würde erklären, warum am nächsten Morgen alle meine Sachen durchsucht wurden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, um was es sich dabei handeln sollte.»
    «Vielleicht um Ihren kostbaren Zettel?»
    Ich schüttelte zweifelnd den Kopf. «Wozu? Es steht nur ein Datum darauf – und das war bereits überholt.»
    «Stimmt», sagte Suzanne nickend. «Haben Sie den Zettel übrigens hier? Ich möchte ihn gerne sehen.»
    Natürlich hatte ich ihn als Beweismaterial Nummer eins mitgenommen und gab ihn Suzanne, die ihn stirnrunzelnd prüfte. «Nach der Zahl 17 steht ein Punkt; warum nicht auch nach der 1?»
    «Dort ist ein Zwischenraum.»
    «Ja, aber…»
    Plötzlich stand sie auf und hielt das Papier ganz nahe ans Licht. Mit unterdrückter Erregung rief sie: «Anne, das ist gar kein Punkt! Das ist ein Fehler im Papier, sehen Sie? Der Punkt hat also gar keine Bedeutung, und wir müssen nur die Zwischenräume beachten!»
    Ich hatte mich neben Suzanne gestellt und las die Ziffern nun in ihrer neuen Bedeutung: 1 71 22.
    «Dieselben Ziffern – und doch eine ganz andere Lösung», sagte Suzanne. «1 bleibt ein Uhr und 22 das Datum; aber die Kabine ist nicht mehr 17, sondern 71. Anne, einundsiebzig! Meine Kabine!»
    Wir starrten einander an, so begeistert über unsere Erkenntnis, als ob wir damit bereits den ganzen Fall gelöst hätten. Doch endlich fand ich mich wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurückversetzt.
    «Aber Suzanne – in Ihrer Kabine ist am Zweiundzwanzigsten gar nichts geschehen!»
    Auch ihr Gesicht zeigte deutliche Enttäuschung. «Das ist richtig», murmelte sie.
    Mir kam ein neuer Gedanke. «Hatten Sie nicht zu Beginn der Reise eine andere Kabine?»
    «Ja. Der Zahlmeister hat mir diese erst später überlassen, weil sie wider Erwarten nicht besetzt wurde.»
    «Wir müssen versuchen herauszufinden, für wen sie ursprünglich gebucht wurde.»
    «Das ist nicht nötig, ich weiß!», rief Suzanne. «Der Zahlmeister hat es mir erzählt. Die Kabine war vorgesehen für eine Mrs Grey; aber das soll nur ein Deckname für die berühmte Nadina gewesen sein. Sie haben den Namen sicher schon gehört: Madame Nadina, die große russische Tänzerin. In London ist sie nie aufgetreten, aber ganz Paris lag ihr zu Füßen. Während des Kriegs hat sie dort unerhörte Triumphe

Weitere Kostenlose Bücher