Der Mann im braunen Anzug
Teil von mir schien entsetzt über den plötzlichen Unglücksfall, während der andere Teil kühl und unbeteiligt zusah, wie man den Mann von den elektrisch geladenen Schienen hob und wieder auf den Bahnsteig schaffte.
«Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt», ertönte eine Stimme. Ein großer, schlanker Mann mit braunem Bärtchen drängte sich an mir vorbei und beugte sich über den leblosen Körper. Während er ihn untersuchte, beschlich mich ein Gefühl der Unwirklichkeit. Das war nicht echt, konnte einfach nicht echt sein! Schließlich stand der Doktor auf und schüttelte den Kopf. «Mausetot – nichts mehr zu machen.»
«Bitte zurücktreten», sagte einer der Beamten. «Es hat keinen Zweck, sich hier herumzudrängen.»
Ein plötzlicher Brechreiz befiel mich, ich wandte mich um und lief blindlings die Treppe hinauf zum Lift. Luft! Ich brauchte frische Luft, das alles war zu grässlich. Vor mir entdeckte ich den Arzt, der den Mann untersucht hatte. Der Lift war eben im Begriff, sich in Bewegung zu setzen, und der Arzt machte ein paar lange Schritte, um ihn noch zu erreichen. Dabei fiel ihm ein kleiner Zettel aus der Tasche.
Ich bückte mich, hob den Zettel auf und rannte hinter dem Arzt her. Aber vor meiner Nase schloss sich die Lifttür, und ich blieb zurück, den Papierfetzen in der Hand haltend. Als ich mit dem zweiten Lift endlich die Straße erreichte, war von dem Mann nichts mehr zu sehen. Der Zettel war eine Seite aus einem Notizblock mit bleistiftgekritzelten Zahlen und Worten. 17. 122 Kilmorden Castle.
Auf den ersten Blick schien das keine Bedeutung zu haben. Und trotzdem zögerte ich, den Zettel wegzuwerfen. Ich blieb stehen, in seine Betrachtung versunken, und rümpfte unwillig die Nase. Wieder Mottenkugeln! Langsam hob ich das Papier hoch. Tatsächlich, es roch durchdringend danach.
Ich faltete den Zettel sorgsam und steckte ihn in meine Tasche. Langsam und gedankenvoll begab ich mich auf den Heimweg.
Mrs Flemming sagte ich, dass ich Zeugin eines hässlichen Unfalls gewesen sei und mich gar nicht wohl fühle. Ich würde daher gern in mein Zimmer gehen und mich hinlegen. Die freundliche Dame beharrte darauf, ich müsse eine Tasse Tee trinken. Dann überließ sie mich meinen Überlegungen, und ich hatte Zeit, den Plan auszuarbeiten, den ich bereits auf dem Heimweg gefasst hatte. Zunächst einmal musste ich wissen, woher das merkwürdige Gefühl des Unwirklichen kam, das mich während der Untersuchung des Arztes plötzlich ergriffen hatte. Ich legte mich flach auf den Boden und versuchte die Stellung der Leiche nachzuahmen. Dann musste ein Kissen meinen Platz einnehmen, während ich selbst jede Bewegung des Arztes wiederholte. Ja, nun wurde mir alles klar! Ich kauerte auf dem Boden und starrte die gegenüberliegende Wand an…
In den Abendzeitungen stand eine kurze Notiz, dass ein Unbekannter an der U-Bahn-Station Hyde Park Corner ums Leben gekommen sei. Man fragte sich allerdings noch, ob es sich um einen Unglücksfall oder um Selbstmord handelte. Diese Bemerkung schien mir meine Aufgabe klarzumachen, und als Mr Flemming meine Erzählung hörte, stimmte er mir sofort zu.
«Zweifellos wird man Ihre Aussage bei der Leichenschau verlangen. Sind Sie sicher, dass außer Ihnen kein Mensch nahe genug war, um alles zu sehen?»
«Ich hatte das Gefühl, dass jemand hinter mir herkam, aber ich bin dessen nicht sicher.»
Die Leichenschau wurde abgehalten. Mr Flemming begleitete mich. Er schien zu glauben, dass das alles ganz schrecklich für mich war und dass ich an ihm eine Stütze benötigte.
Der Tote war als ein Mr L. B. Carton identifiziert worden. In seinen Taschen hatte man nichts gefunden als die Bewilligung eines Grundstückmaklers, ein Haus am Fluss in der Nähe von Marlow zu besichtigen. Die Genehmigung war ausgestellt auf den Namen L. B. Carton, Hotel Russell. Ein Angestellter des Hotels bestätigte, dass der Mann am Vortage eingetroffen sei und ein Zimmer unter diesem Namen bezogen habe. Laut Eintragung im Gästeregister sei er aus Kimberley, Südafrika, gekommen, anscheinend direkt vom Dampfer.
Ich war die einzige Person, die das Geschehnis beobachtet hatte. «Halten Sie es für einen Unglücksfall?», fragte mich der Coroner.
«Ich bin überzeugt, dass es kein Selbstmord war. Irgendetwas hat den Mann erschreckt. Er fuhr blindlings zurück, ohne daran zu denken, wo er stand.»
«Was kann ihn erschreckt haben?»
«Das weiß ich nicht. Aber er muss etwas gesehen haben, denn er schien von
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